Nadel, Faden, Hackebeil
Bildern!«
Die Praktikantin und der Hausmeister des Hällisch-Fränkischen Museums – beide große Geduldsmenschen vor dem Herrn – warfen sich müde Blicke zu.
Es gab schwierige Künstler, es gab sehr schwierige Künstler, und seit heute gab es auch noch Konstantin von Bellingen.
»Herr von Bellingen, die Vernissage am Freitag wird um zwanzig Uhr eröffnet, da ist es schon dunkel. Wir werden auf jeden Fall Licht brauchen.«
Seit nunmehr fast zwei Stunden quälten sie sich mit der Hängung der Bellingschen Bilder ab. Was er fabriziert hatte, war, gelinde ausgedrückt, keine hohe Kunst. Unerzogene Menschen hätten sicher frei heraus geäußert, dass es sich überhaupt nicht um Kunst handelte. Ein Elefant mit einem Pinsel im Rüssel hätte Anspruchsvolleres auf die Leinwand klecksen können. Aber die Ausstellung war abgemachte Sache – eine Serviceclubhand wusch die andere –, und letzten Endes lag das Urteil, was nun Kunst war und was nicht, ohnehin im Auge des Betrachters. Außerdem war der Mann in Trauer, was man ihm zwar nicht am Gesicht, aber an der schwarzen Trauerbinde um seinen rechten Oberarm ansah.
Konzi von Bellingen nölte: »Dann müssen wir Kerzen aufstellen. Überall Kerzen. Elektrisches Licht kommt mir nicht in die Tüte.«
»Kerzen sind aus feuerpolizeilichen Gründen nicht erlaubt«, warf der Hausmeister ein. »Nicht, dass wir aus Versehen die ganze Bude abfackeln.«
Konzi sah nicht so aus, als würde ihn der Verlust des Schwäbisch Haller Stadtmuseums groß bekümmern. Hauptsache, seine Bilder kamen richtig zur Geltung. Von diesen Bildern hing seine Zukunft ab!
»Es gibt doch Kunstlichtquellen, die das Tageslicht imitieren. Dann müssen hier eben alle Glühelemente durch solche Leuchtröhren ersetzt werden.« Konzi kannte kein Pardon.
»Das ist ja auch eine Geldfrage«, meinte die Praktikantin.
Konzi warf ihr einen Blick zu, der sie ihres Platzes verweisen sollte. Aber da legte er sich mit der Falschen an. Herablassung prallte an ihr ab wie ein Pingpongball an einer Gummiwand. »Schauen Sie, wir haben ja noch etwas Zeit. Warum probieren wir nicht eine andere Hängung aus? Wenn wir das Bild dort drüben hierher hängen, da reflektiert das Licht von den weißen Wänden nicht so stark.«
Konzi malte abstrakt, hatte seinen Gemälden jedoch keine Titel gegeben. Auch die Farbpalette der Bilder ließ keine eindeutige Identifizierung zu. Überwiegend Novembergrau, das traf allein auf drei seiner Bilder zu. Die anderen waren mehrheitlich matschbraun. Oder schlammgrün. Letzten Endes musste man davon ausgehen, dass der Künstler nur durch die Dicke der Farbschichten eine Aussage machen wollte. Das Bild ganz links sah aus, als hätte er einfach drei nicht näher definierte Farbtuben auf der Leinwand ausgedrückt und dann mit einem Föhn getrocknet.
Konzi schloss die Augen. »Ich kann so nicht arbeiten. Holen Sie mir bitte den Direktor!«
Hausmeister und Praktikantin waren dankbar für diese Möglichkeit zur Flucht. Sie hatten Mitleid mit ihrem Chef, aber entweder er oder sie.
Konzi zog sein Taschentuch heraus, wischte damit die Sitzfläche des Stuhles sauber – zum zehnten Mal an diesem Nachmittag – und ließ sich schwer darauf nieder.
Eine Träne kullerte über seine rasierte Männerwange. Sie kullerte zügig, denn er war nicht nur rasiert, er hatte – metrosexuell, wie er war – an diesem Morgen auch ein Peeling durchgeführt. Shark Shrub, extra per Internet direkt aus Kalifornien bestellt – mit gemahlenen Olivenkernen und Salicylsäure. Arnold Schwarzenegger nahm das angeblich auch. Konzis Haut war weicher als ein Babypopo.
Er strich sich die Tränenschliere von der Wange und seufzte.
Die Ausstellung musste einfach ein Erfolg werden. Das
musste
sie einfach.
Er hatte so viel dafür riskiert!
18 : 45 Uhr
Ein Goldfisch im Haifischbecken
Irmgard trank ihren Chai-Tee mit fettreduzierter H-Milch. Das Gebräu war so heiß, dass ihre Brillengläser im Nu beschlagen waren. Auch gut, dann musste sie schon nicht lesen, was auf dem Bildschirm des Laptops stand.
Frau Bertsch-Baierle vom Kirchengemeinderat hatte ihr gemailt. Sie freue sich auf den kommenden Samstag, wenn sie gemeinsam mit Frau Tränkle und Frau Schiefer-Klöppler den Blumenschmuck für den Sonntagsgottesdienst besprechen würden. Um elf Uhr bei Blumen Haux, wie immer. Mit herzlichen Grüßen.
Stand da zu lesen.
Aber Irmgard las zwischen den Zeilen.
Und zwar las sie Hohn und Spott heraus. Sie war jetzt
Weitere Kostenlose Bücher