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Nächsten Sommer

Nächsten Sommer

Titel: Nächsten Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Rai
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dann wurde Laura niemals ganz die Angst los, sie könnten »entdeckt« werden. Doch der Aufwand war es wert, Lilith zweifelte keine Sekunde an ihnen.
    Bis letzte Woche. Da wollte sie Laura mit Karten für die Impressionistenausstellung in Berlin überraschen. Das mit der Überraschung funktionierte, nur dass Lilith sie nicht mit den Karten überraschte, sondern Laura sie mit dem Dekan.
    Sie wolle eben Kinder, erklärte Laura, bevor es zu spät sei. Einfach so. Mit dem Dekan. Der lebe schon lange von seiner Frau getrennt.
    »Ich denke, du bist lesbisch«, sagte Lilith, »und liebst mich.«
    »Ich will Kinder, Lilith.«
     
    Marc hat sich mit seiner Gitarre in eine Sackgasse manövriert. Er hat drei Akkorde zusammengestöpselt, die jeder für sich nach |41| nichts klingen, in ihrer Aufeinanderfolge aber Sinn ergeben. Nur dass Marc keine Ahnung hat, welchen.
    »Was ist denn jetzt mit Franco?«, will Bernhard wissen.
    »Der lässt dir keine Ruhe, was?«
    Nach dem Desaster mit Laura entschied Lilith kurzerhand, das Semester zu schmeißen und zu ihrer Schwester zu fahren, wenigstens ein paar Tage, um den Kopf freizubekommen oder zumindest gemeinsam zu flennen. Und hier kommt Franco ins Spiel. Als Lilith einer Bekannten erzählte, dass sie nach Genf fahren wolle, bot deren Freund – Franco – ihr sofort an, sie mitzunehmen. Er fahre sowieso zu seinen Eltern nach Rom. Lilith hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache. Italiener waren nun mal Machoarschgeigen. Möglich, dass es Ausnahmen gab, aber begegnet war Lilith noch keiner.
    »Macht auf dicke Hose, aber am Ende ist es nirgends auf der Welt schöner als an Mamas Rockzipfel.«
    »Da verallgemeinerst du aber ganz schön«, wirft Bernhard ein, der gerne ein bisschen mehr Italiener wäre.
    Lilith wedelt mit ihrer Zigarette. »Ist das vielleicht
meine
Schuld?«
    Franco jedenfalls hatte ihr angeboten, sie auf dem Weg nach Rom bei ihrer Schwester abzusetzen. In Hannover waren sie losgefahren, bei Göttingen hatte er versucht, ihr die Hand unter den Rock zu schieben, in Kassel wäre ihm beinahe die Hose geplatzt.
    »Keine zwei Stunden hat er durchgehalten, dann wollte er ›Amore!‹. Seine Freundin hat ihm erzählt, dass ich lesbisch bin und außerdem gepiercte Brustwarzen habe – konnte er offenbar nicht auf sich sitzen lassen …«

|42| 8
    Bernhard ist aus seiner Starre erwacht: »Woher weiß denn deine Freundin, dass du gepiercte Brustwarzen hast?«
    »Ist nicht
meine
Freundin, sondern
seine
«, antwortet Lilith.»Ich kenn die nur vom Uni-Sport.«
    Bernhard lässt nicht locker: »Und woher weiß sie dann von deinen Piercings?«
    Lilith wirft Bernhard einen Blick zu, dem er kaum standhalten kann. »Wir haben beide die Angewohnheit, nach dem Sport zu duschen – verrückt, oder?«
    Auf einmal ist es sehr ruhig im Bus. Nur der Motor dröhnt wie gewohnt.
    Marc hat die Gitarre auf dem Schoß, spielt aber nicht mehr. Lilith zündet sich genüsslich eine Zigarette an.
    »Glaub ich nicht«, sagt Bernhard. Wie immer ist er misstrauisch. Das ist seine Grundausstattung. Alles andere sind Extras gegen Aufpreis.
    Marc legt die Gitarre zur Seite und fängt an, einen Joint zu bauen. Ist die Idee eben weg, was soll’s. Alle kann man nicht festhalten – da kommt das Leben zu kurz.
    »Du glaubst nicht, dass ich gepiercte Brustwarzen habe?«
    »Ich glaube nicht, dass du lesbisch bist.«
    »Ach nee. Und warum nicht?«
    »Für eine Lesbe siehst du viel zu gut aus.«
    Lilith wirft ihre Zigarette durchs Schiebedach und streckt ihre Hand nach Marcs Joint aus, bevor der richtig daran gezogen hat: »Darf ich mal?« Sie inhaliert, behält den Rauch in der Lunge und Bernhard im Blick. Als sie endlich ausatmet und Marc den Joint zurückreicht, sagt sie zu Bernhard: »In welchem Jahrhundert lebst du eigentlich?«
    Bernhard taxiert sie mit einem Blick, der Glas schneiden könnte. Dabei legt er eine Hand ans Kinn und fährt den Zeigefinger |43| aus: »Duuu … bist
keine
Lesbe. Das sagst du bloß, damit keiner von uns dich anmacht.«
    Lilith lehnt sich zurück und lächelt. Ihr Gesicht glänzt in der Sonne: »Gutes Zeug«, sagt sie zu Marc.
     
    Bis wir bei Frankfurt sind, schlafen alle außer mir. Ich mag das. Ist ein bisschen wie »das Rudel hüten« oder so. Liliths Kopf hat sich im Schlaf auf die Seite gedreht. Plötzlich sieht sie glücklich aus und sehr zart. Als sei sie frisch verliebt. Wenn sie die Augen öffnete, wäre ich das Erste, was sie sähe. Bei Bernhard ist nicht nur der Kopf verdreht,

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