Nächte am Nil
zuckende Schultern und führte sie zurück zur Höhle.
*
Der Fieseler Storch hatte den Rand des Felsenriegels erreicht und drehte bei. Der Untergrund war so hart mit Kieseln durchsetzt, daß sich eine leidlich gute Startbahn ergab, wenn man zum Piloten begabt war. Der Propeller drehte sich im Leerlauf. Hauptmann Brahms wischte sich über das staubige Gesicht und wandte sich dem still vor sich hin starrenden Brockmann zu.
»Kommen Sie!« sagte er. »Ich möchte längst über der libyschen Grenze sein, wenn die Hubschrauber von General Assban anwackeln. Ich habe mir das so gedacht, daß Sie und Ihre Begleiterin –«, er meinte Lore »– zusammen mit mir fliegen, während Baraf und Franz sich mit Aisha weiter nach Westen durchschlagen. Von Kufra aus kommt ihnen eine wohlausgerüstete Kolonne entgegen, ein Stoßtrupp alter Prägung. Lauter rauhe Kerle, die nicht vergessen haben, wie man einen Wüstenkrieg führt. Beide Gruppen können sich morgen abend begegnen. Meine Leute sind motorisiert und haben einen Weg entdeckt, der fast gefahrlos bis zu diesem mistigen Felsenriegel führt.«
Alf Brockmann schüttelte den Kopf. Verblüfft sah ihn Brahms an.
»Was heißt das? Sie schütteln den Kopf?«
»Ich kann Aisha nicht hierlassen. Garantieren Sie mir, daß ihr nichts geschieht?«
»Sie wissen genau, Brockmann, daß eine solche Garantie Blödsinn ist. Die Ägypter werden laufend die Karawane angreifen.«
»Sehen Sie!«
»Baraf und Franz sind mit den modernsten Feuerwaffen ausgerüstet …«
»Ich habe Aisha viel, wenn nicht alles zu verdanken. Daß ich lebe, ist ihr Verdienst. Andererseits hat Lore Hollerau ihr Augenlicht geopfert. Ich weiß, ich weiß – Aisha hat das Paket mit der Bombe gebracht … aber was sie in den letzten Tagen für mich getan hat, war mehr als ein Abbüßen.«
»Alles ganz schön und gut. Aber was soll's?« Brahms stand auf und zog Brockmann mit sich hoch. Der Pilot winkte. »Beeilung! Wir müssen zur Maschine. Ich hole Ihre …«
»Halt!« Brockmann hielt Brahms fest. »Holen Sie Lore und Aisha … ich reite mit Baraf und Franz.«
»Total verrückt, was?« Brahms brüllte plötzlich. »Glauben Sie, ich mache hier einen Privatkrieg, um zwei verliebte Weiber herauszuhauen? Sie hole ich, Brockmann! Sie allein sind wichtig! Ihre Frau wartet in Tobruk auf Sie. Ihre Frau! Auch sie hat große Opfer gebracht!«
»Ich weiß.« Brockmann lehnte sich gegen den Felsen. »Aber ich weiß auch, was ich den Mädchen schuldig bin. Es wäre eine Schuftigkeit, eine von ihnen allein in der Wüste zu lassen.«
»Verdammt noch mal, diese verfluchte Ehrauffassung!« Brahms hieb gegen den heißen Stein. »Haben Sie von der Wüste noch nicht die Nase voll?«
»Laden Sie die Mädchen ein!« Brockmanns Stimme war auf einmal hart. »Ich weigere mich, allein zu fliegen. Ich sehe ein, daß der Storch nicht überladen werden darf … also nehmen Sie die Mädchen.«
»Nein!« brüllte Brahms mit hochrotem Kopf.
»Gut denn!« Brockmann setzte sich wieder. »Dann gehen wir alle geschlossen vor die Hunde.«
Es war sinnlos, auf Brockmann einzureden. Einen Augenblick dachte Brahms daran, dem Gelehrten über den Schädel zu schlagen und ihn einfach mitzunehmen wie ein Gepäckstück. Aber dann verwarf er den Gedanken wieder. Wer weiß, was man in einem solchen Kopf alles beschädigen kann, dachte er. Er ist ein Genie. Genies haben ein anerkannt leichtes Hirn. Ein Bums auf den Hinterkopf kann da viel zerstören.
»Gut denn«, wiederholte er Brockmanns Worte. »Ich nehme die Mädchen mit. Von mir aus verrecken Sie in der Wüste. Idioten haben es nicht anders verdient.«
Wenige Minuten später war alles abflugbereit. Der Abschied war kurz. Brockmann küßte Lore und Aisha, während Brahms schon neben dem Piloten saß und gestikulierte, sich zu beeilen.
»Leb wohl, Oulf!« sagte Aisha bedeutungsvoll. »Allah sei immer mit dir. Ich danke ihm, daß er mir ein paar Stunden das Glück der Liebe geschenkt hat. Sie werden für immer reichen bis ins Paradies.«
Dann riß sie sich los, kletterte ins Flugzeug und sah Brockmann nicht mehr an. Lore Hollerau wurde hineingehoben, sie umklammerte so lange und so fest Alfs Hand, bis Brahms ihre Finger mit Gewalt wegbog und die Tür zuwarf. Dann rollte die Maschine an, der Propeller rauschte, der Motor brüllte auf, die Räder hoppelten über den Kies.
Brockmann hob beide Arme und winkte. »Auf Wiedersehen!« sagte er leise.
Auf Wiedersehen?
Gab es das?
Ein Wiedersehen zwischen
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