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Naechte am Rande der inneren Stadt

Titel: Naechte am Rande der inneren Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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Dass
     mich diese ganzen sinnlichen Dinge nur verrückt machten. Dass ich wieder zu mir selbst finden müsste, dass ich Angst hätte,
     mein Studium nicht zu schaffen, dass ich keiner wäre, der mit einer anderen schlafen könnte, nicht zum Beweis der Treue und
     auch nicht zum Beweis der Unabhängigkeit.
    Aber Konrad, sagte sie besorgt, was ist denn los? Sie hatte zuerst nur müde gemurmelt, doch ich merkte, dass sie inzwischen
     hellwach war.
    Willst du nicht zu mir kommen? fragte sie.
    Ich fing an zu weinen und schwieg.
    Soll ich zu dir kommen?
    Bloß nicht, du weckst Opa.
    Das hätte gerade noch gefehlt.
    Es ist mir alles unheimlich, sagte ich, es macht mich so konfus. Am liebsten wäre ich –
    Was denn?
    Am liebsten wäre ich nur dein alter Onkel, der mit dir Schlittschuh läuft und redet.
     
    Robert hatte seine Macht ausgeübt, als ich glaubte, ihm entronnen zu sein. Ich fühlte mich wertlos, schmutzig und traurig
     in meinem Verlies, verwirrt und hässlich, und ich schämte mich.
     
    |80| Als ich am Morgen, nach zwei, drei Stunden Schlaf, hoch in die Küche ging, hörte ich Evas Stimme. Ich war offenbar vollends
     verrückt geworden. Aber nein. Eva stand mit Opa in der Küche und bereitete das Frühstück vor. Sie hatte Brötchen mitgebracht
     und plauderte mit dem alten Herrn über Marmeladesorten. Sie hatte ihm ein Glas Orangenmarmelade geschenkt, was er sehr aufmerksam
     fand. Er war reizend mit ihr, er lachte sogar. Eva trug eines meiner Seidenhemden und meine Hose. Sie kam auf mich zu, küsste
     mich und hielt mir ein Glas frisch gepressten Orangensaft hin.
    Ich habe heute eine Prüfung, und ich wollte, dass du mir Glück wünschst.
    Wir konnten vor Opa nicht reden. Wir frühstückten, und dann musste Eva los. Ich wollte sie begleiten, aber sie wehrte ab.
    Wasch dich erst mal, sagte sie, ich muss mich jetzt auch ein bisschen konzentrieren.

7
    Je heller die Stadt wurde, je heiterer die Tage, desto mehr quälte ich mich. Es waren Tage, die sich wie Wochen anfühlten.
     Eva ging mit keinem Wort auf meine Onkelbekenntnisse ein. Nur einmal sagte sie, es wäre doch alles sehr einfach, warum ich
     es nicht nehmen könnte, wie es war. Sie wollte mit einem leben, der die Nächte mit ihr teilte, nicht mehr und nicht weniger.
    Ich glaube, sagte sie, in den Nächten kommt eine andere Schicht von uns in Bewegung, in Berührung.
    Ich nickte.
    Weißt du, sagte sie, die Zärtlichkeit zwischen uns kommt immer von innen, das andere ist nur der Auftakt dafür.
    Was hätte ich später bei Irene darum gegeben, dass sie einen |81| solchen Satz sagte! Damals, bei Eva hingegen, verstand ich diesen Satz als ein: Ich empfinde Zuneigung für dich, aber keine
     Leidenschaft.
    Und litt.
    Unsere Nächte wurden unruhig. Selten schliefen wir tief und fest nebeneinander; wir wachten auf, wenn der andere sich rührte;
     selbst der kleine Kater schreckte hoch, um sich mit lautem Schnurren wieder einzurollen. Ich konnte das Gefühl nicht loswerden,
     dass Eva insgeheim Sehnsucht nach einem anderen hatte. Aber das sage ich vielleicht im Nachhinein, denn wir sahen uns nach
     wie vor fast jeden Tag. Ich gewöhnte mich sogar an Josef, der inzwischen stubenrein war, sein Pinkeln allerdings jedes Mal
     mit lautem Gemaunze ankündigte. Wenn Eva sich wusch, sprang er an ihren nackten Beinen bis zur Hüfte hoch und zerkratzte ihr
     die helle Haut. Ich war entsetzt, sie aber schubste ihn nur und lachte.
     
    Irgendwann kochte ich wieder für Evas
Kunstgeschichte-und-Geschlechter-Arbeitsgruppe
und verstrickte den Sportphilosophen in ein Gespräch über die Liebe. Wir quetschten uns in Evas schmaler Küche auf Klappstühlen
     an den Tisch und aßen das Moussaka, das ich gemacht hatte. Ich hatte Weißbrot und Joghurt dazu mitgebracht und zur Abwechslung
     einen richtig guten Rotwein. Alle waren hocherfreut, riefen
super!
und
toll!
und langten zu; dabei diskutierten wir ununterbrochen und mit vollem Mund. Das Fenster zum Hof stand weit offen, wir hörten
     noch spät am Abend die Vögel singen und die Nachbarn klappern, die ihre Fenster genauso aufgerissen hatten wie wir.
    Leonhardt setzte mir sehr einsichtig auseinander, dass eine geschlossene Zweierbeziehung, wie sie in unserer Gesellschaft
     das gängige Muster sei, nur der besseren Beherrschbarkeit diene, dass sie die bürgerliche Maschinerie in Gang halte und ganz
     wesentlich der Idee der Freiheit und Selbstbestimmung widerspreche. Er ruderte dabei mit den Armen. Er hatte etwas |82| ungeschickt

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