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Naechte am Rande der inneren Stadt

Titel: Naechte am Rande der inneren Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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geflochtenen Zopf, der ihr von der Seite nach hinten über den Rücken fiel.
    Robert steigerte sich immer mehr in seine Verachtung für Nora und Mirko hinein, wegen der Tatsache, dass sie geheiratet hatten.
    Diese ganze bescheuerte Idee der Treue ist doch eine blöde bürgerliche Erfindung, sagte er wütend beim vierten Gin Tonic.
    Jetzt fängst du auch noch an damit, sagte ich und griff nervös nach den Nüssen, die auf dem Tisch standen.
    Wieso auch noch?
    Nur so.
    Um keinen Preis wollte ich ihm erzählen, dass ich das auch schon von Eva gehört hatte.
    |75| Wieso? wiederholte er und sah mich interessiert an.
    Ich lenkte ihn mit Oberflächlichkeiten ab; ich wollte nichts über Eva und mich erzählen. Das war mein Eigenes, mein Liebstes,
     mein Privates. Doch jede noch so banale Bemerkung wie die, dass wir manchmal Museen besuchten, dass ich für ihre Arbeitsgruppe
     gekocht hatte oder dass ich eigentlich zur Zeit mehr arbeiten müsste, veranlasste Robert, mir schwierige Fragen zu stellen,
     die suggerierten, dass ich für Eva ein Zeitvertreib war. Mitten im Gespräch fing er an, sie
Milena
zu nennen, woraufhin ich so tat, als wüsste ich nicht, von wem er sprach. Ich kannte ja seine Namensgeberei und ihre Auswirkung;
     ich wollte nicht, dass er von Eva so sprach, als dürfte er über sie verfügen.
    Milena war die Verlobte Kafkas, sagte Robert.
    Na und? fragte ich.
    Ich ging nicht weiter darauf ein, doch er redete weiter von Milena und meinte Eva. Die Haut über seinen Backenknochen war
     gespannt; die Adern an den Schläfen traten hervor.
    Sie nutzt dich doch aus, sagte er. Dass du für sie einkaufst, das ist doch nicht zu glauben! Dass du für sie und ihre Arbeitsgruppe
     kochst, da machst du dich doch zum Idioten! Merkst du das denn nicht?
    Er sah mich mit seinen dunklen Augen merkwürdig leer an. Mir wurde schlecht. Früher hatte Robert mich mit beschützender Geste
     darauf hingewiesen, wenn Leute mich ausnutzten. Ich war ihm oft dankbar dafür gewesen. Er hatte auch schon mal einem anderen
     eins auf die Nase gegeben, wenn dieser mir zu nahe getreten war. Aber jetzt wollte ich nicht hören, was er mir sagte. Ich
     fühlte mich in seiner Gegenwart immer kleiner werden, ich dachte an einen Apfel, durch den sich genüsslich schmatzend Würmer
     fraßen. In Evas Gegenwart fühlte ich mich meistens schön und klug.
    Ich mache das gern, sagte ich leise.
    Ich hätte sofort gehen sollen. Er ließ nicht locker. Ich fühlte mich wie gelähmt. Als würde er mir Gift ins Ohr träufeln,
     gegen |76| das ich mich auch durch Zuhören nicht immunisieren konnte. Ich fragte mich plötzlich, ob es der alte, der Vor-Eva-Konrad gemocht
     hatte, wenn man ihn fertigmachte. Irgendwann fing Robert wieder mit der bürgerlichen Treue an. Dass sie Unsinn wäre. Lüge.
    Das sagt man nur, wenn man jemanden nicht genug liebt, sagte ich.
    Nein, sagte Robert, das sagt man, wenn man jemanden so sehr liebt, dass kein anderer es stören kann. Wir müssen uns ganz frei
     darin bewegen. Die Berührung mit anderen ist ein flüchtiges Geschenk, das merkst du doch immer, wenn die erste besinnungslose
     Verliebtheit aufhört. Du merkst es, wenn aus dem Erforschen des anderen ein ruhiges Sich-Kennen wird.
    Ich zuckte innerlich zusammen. Fast hätte ich genickt. War es mit Eva nicht genau so? Wir schliefen jetzt nicht mehr so oft
     miteinander. Dafür hatten wir die Katerkrise überwunden. Dafür gingen wir spazieren, lagen beieinander und – Aufregungen gab
     es genügend. Und Sex eigentlich auch. Und das alles ging Robert einen Dreck an. Also nickte ich nicht.
    Er lächelte mich abgründig an. Als fühlte er sich unbedingt überlegen.
    Du merkst es auch, sagte Robert, wenn du dir sagst: Heute muss ich gar nicht mit ihr schlafen. Du kannst es bezwingen.
    So hast du es wohl mit Nora gemacht, was? Ich sagte es schneller, als ich mir auf die Zunge beißen konnte.
    Plötzlich ließ Robert seine ganze Anspannung fallen. Er zuckte mit den Achseln, lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Stolz
     und gequält sah er aus, wegwerfend und melancholisch.
     
    Robert hatte schon immer eine schräge Mischung aus Pseudobuddhismus und Samuraikämpfertum vertreten. Er nannte das die Freiheit
     von den Leidenschaften. Fragt sich, welche er meinte. Er war Vegetarier, und er liebte Gewaltfilme.
    Ich bekam Zweifel an seinen magischen Kräften. Die einzige Person, die mich verhexte, war Eva. Robert merkte es, |77| und nicht nur das, er merkte, dass ich ihm eine Erfahrung

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