Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Naechte am Rande der inneren Stadt

Titel: Naechte am Rande der inneren Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
Vom Netzwerk:
morgens, sie kam zu mir. Wir tranken Milchkaffee aus meinen alten
bols
, die ich aus Paris |114| mitgebracht habe, und tunkten Kekse ein. Sie hatte den Kater auf dem Schoß und erzählte von ihrem Großvater.
    Er isst nichts mehr, sagte sie. Er trinkt nur noch Limo und ruft nach seinem Bruder, der im Krieg gefallen ist. Er schläft
     viel, wacht kurz auf und fragt nach Gestalten aus seiner Jugend, er erkundigt sich höflich nach ihren Verhältnissen. Er ruft
     die ganze Familie zusammen, und meine Mutter sagt, er wartet nur noch darauf, dass ich komme.
    Ich fing an zu weinen. Silvie weinte auch. Erst Heinrich und jetzt Opa, sagte sie, ich weiß nicht, wie ich das überstehen
     soll.
    Warum bist du eigentlich nicht mit Heinrich weggegangen? fragte ich.
    Ach Eva, sagte sie und sah mich mit ihren großen wasserhellen Augen an, ich hätte mich gar nicht getraut zu fragen! Ich habe
     doch auch gar kein Geld!
    Aber er, sagte ich. Ich war wütend auf Heinrich.
    Soll ich mit dir fahren? fragte ich.
    Nee, sagte sie, is schon gut. Sind alle da, die ganze Familie, das wäre schwierig mit dir.
    Ich nickte.
    Kommst du wieder, Sivvie?
    Klar, sagte sie. Dann ziehen wir zusammen, ja? Ich lass mir von irgendeinem Typen ein Kind machen, und dann leben wir einfach
     zusammen!
    Ich lachte. Oh ja, sagte ich, das stelle ich mir lustig vor.

    Konrad liebt mich, und ich lasse ihn und verletze ihn, aber das hat doch alles keine Zukunft. Ich kann ihn schon nicht mehr
     sehen.
    Jackson sagt, er verliebt sich nur langsam. Ich will Jackson so kennen, wie ich ihn nachts umarmen will. Ich will das – wie
     Wassersaufen bei Hitze. Unbedingt. Nichts anderes. Jackson macht nicht mehr ganz so hektische Rückzieherküsse an meinen |115| Zähnen wie am Anfang. Seine rotbraune fellige Haut schmiegt sich in meine Handflächen. Wenn er stöhnt, klingt es
verwundbar
, es macht
mich
verwundbar.

    Konrad wird verrückt vor Liebe zu mir, und ich will Jackson, der weggeht. Ich könnte heulen. Ich habe den ganzen Tag Patti
     Smith gehört. Robert hat mir die Kassette geschickt. Er hat sie mir aufgenommen. Er hat darauf geschrieben
and then there were three
. Wen meint er?
     
    Dass ich Konrad erlaubt habe, mich zu Jackson zu fahren, tut mir noch immer weh. Ich Idiot habe es zugelassen; das darf nicht
     mehr vorkommen. Ich sehe Konrad, als würden mir erst jetzt die Augen aufgehen: Wie er sich vorbeugt und mich von unten ansieht,
     wie er die Stirn runzelt, wie er sein krauses Haar in die Stirn hineinkämmt, um sich kleiner zu machen.
Tritt einen Schritt beiseite...
Es ist abstoßend. Weil es würdelos ist. Ich darf das nicht mitmachen. Auch wenn er mich anfleht. Was habe ich überhaupt plötzlich
     für Begriffe im Kopf? Würde? Dürfen? Robert hat erzählt, dass Konrad beim Billard früher manchmal unkontrollierbare Zornesausbrüche
     hatte.
    Ich muss mich zusammenreißen; Heumann hat heute schon gemeckert mit mir. Ob ich mich neuerdings nicht mehr für mein Studium
     interessiere? Am liebsten hätte ich gesagt, heiraten Sie mich doch, dann hat die liebe Seele vielleicht Ruh.
     
    Jackson. Bis hierhin und nicht weiter. Er wird seine Freundin nicht verlassen, warum auch, er geht nach Sydney, sie ist schon
     dort, er hat ein Stipendium, sie auch. Warntafeln, halt dich fern. Nach Amerika, sagt Jackson, gehen viele, Australien ist
     im Kommen. Spätestens seit der letzten
documenta
ist klar, was da alles zu holen ist.
    |116| Ich höre nur
weg
und sehe Schafe im Busch wie in meinen Jugendbüchern, die in Neuseeland spielten. Mit Konrad kann ich reden, über das Schlimmste,
     auch wenn er es nicht hören will. Bei Jackson verstumme ich.

    Letzte Nacht war er brüsk, ich weiß gar nicht, was in ihn gefahren ist. Er würde nicht mit mir schlafen, wenn ich blute. Bitte?!
    Du bist ja verklemmter, als ich dachte, sagte ich. Hat dir jemand das Ammenmärchen von den unreinen Tagen erzählt, oder was?
    Hau ab, hat er gesagt.
    Wenn du so verklemmt bist, schrie ich, kannst du kein guter Maler sein!
    Hör auf, brüllte er.
    Ich konnte mir seinen Vater in diesem Moment sehr gut vorstellen, als autoritäres A., wahrscheinlich hat seine Mutter deshalb
     den Abgang gemacht.
    Er schlief ein und ich weinte. Wär ich mal besser aufgestanden und weggegangen, aber ich war wie festgeklebt. Am Morgen sagte
     ich es ihm, ich wäre am liebsten weg, wie bei einem
one night stand
, und ohne Telefonnummer. Er sagte, ach Mädchen, und sah mich traurig an.

    |117| Nur mit Paul war der Sex noch

Weitere Kostenlose Bücher