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Naechte am Rande der inneren Stadt

Titel: Naechte am Rande der inneren Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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irrer, losgelöster. Ich war überhaupt nicht verliebt. Bin aber immer wieder hingedackelt, in
     die Bruchbude in der
rue de Vaugirard
. Paul, mein Pariser Freund, Übersetzer, russisch-französisch, deutsch-französisch. Groß und schlaksig, große weiche Nase,
     Grübchen in den Wangen, verwegene Augen, immer ein bisschen aggressiv, dann wieder bedauernd, manchmal grimassierend, ein
     Clown, manchmal eine Schönheit. Paul schlief mit Männern und Frauen. Er war der erste, der mich wie einen Jungen vögelte,
     am Tag danach war ich ganz ausgeleiert, innen hat alles höllisch gebrannt.
     
    Jackson, von dem ich dachte, er wäre so frei, schämt sich also für bestimmte Dinge. Er macht nicht alles. Das ist auch egal;
     es kann sich sowieso nichts entwickeln, er geht ja weg. Ich verlieb mich nicht in ihn. Dann kiekste nur falsch hin, hab ich
     ja jetzt bei Konrad gesehen, und mit dem war es rosarot am Anfang.
     
    Es ist schlimmer mit Jackson. Es ist der Körper, der alles ist. Ich meine, alles ist da drin, Herz und Kopf und so. ICH.   Manchmal möchte ich Jackson fragen: Hast du mit anderen so geschlafen wie mit mir? Er würde das Bettzeug in den Kasten packen
     und schweigen, ich kenne ihn. Das Licht würde auf sein Gesicht fallen.
     
    Er hat Bücher angeschleppt, über die Kunst der Aborigines, die irren Ornamente aus Naturfarben; sie interessieren ihn mehr
     als die
land art
seiner Kollegen. Geometrische Muster, die keine Wirklichkeit abbilden, seriell. Ich mag mir die Bücher gar nicht ansehen.
     Ich muss an Jacksons Mama denken, die Ketten in Serien macht, und an meine, die zwischen den Bäumen im Wald verschwand und
     niemals wiederkam. Ich WILL nicht daran denken!
    |118|
    AAAAAAAAAHHHHHHHHH!!!!!!!!!!!!!!! _____________:
    Jackson hat Besuch!
    Du kannst heute nicht bei mir schlafen, hat er gesagt.
    Bitte?
    Ich schlug ihm ins Gesicht; er nahm mich nur in den Arm und sagte: Mädchen, Mädchen. Er schweigt. Er schweigt auch, wenn ich
     zwischen den Laken allen Dingen einen Namen gebe.
    Eine alte Liebe.
Vielleicht wird er rückfällig. Ich laufe Amok, wenn seine Haut auf eine andere trifft.
     
    So ein Mist. Konrad! Verzeih mir! Warum gefällt mir Jackson besser als Konrad? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich gerade
     jetzt möchte, dass J mich streichelt, federleicht. JJJJJJJJJJJJ...____________
    Am Ende werde ich noch treu. Am Ende irre ich mich wieder. Es würde nichts mit uns, selbst wenn er hierbliebe.
     
    Jetzt steh ich schon wieder auf dem Balkon in der Sonne und warte, mein Körper bildet eine Linie.

    DAS Ornament beschwört den materiell Abwesenden, das Numinose, Göttliche, eine unsichtbare Naturkraft, in der materiellen
     Anwesenheit seiner Form. Es ist eine Geisterbeschwörung. Im magischen Akt wird das Zeichen die Sache |119| selbst. Die Navajo malen Ornamente in einem rituellen Tanz in den Sand, die haitianischen Voodoopriester in ausgestreutes
     Mehl auf den Boden, dann wischen sie sie wieder fort.
     
    Jacksons Handschrift auf der Leinwand ist fest wie sein Körper, ausgeprägt, stabil. Er ist stabiler als Konrad. Er wirkt in
     allem so konzentriert. Vor allem, wenn er mit mir schläft. Ich mag es, wie er seine Farbtöpfe aufstellt, aber er mag es nicht,
     wenn ich in sein Atelier komme, in der Hochschule, er hat es mir nur einmal gezeigt. Er arbeitet nur dort. Andere Malerstudenten,
     die ich kenne, malen überall, sie haben keinen Extraraum dafür. Es ist der reine Luxus. Heumann hat mich mal zu einem seiner
     Freunde mitgenommen. Der hauste regelrecht zwischen seinen Bildern. Er machte seinen Tee auf einem Campingkocher und schlief
     in einem alten Militärmantel, in den er sich ein Fell hineingenäht hatte. Er erinnerte mich darin an Beuys. Fett und Wärme.
     Ich hatte sofort Lust, mal eine Nacht in diesem Fell zu schlafen, nackig. Aber Heumann fasste mich an der Hand und sagte,
     das wirst du nicht tun, ich weiß, wo das endet, und ich musste brav mit ihm gehen. Er hat mich sogar nach Hause gebracht.
     Manchmal hat er solche Anfälle. Ich weiß, dass er ganze Nächte mit den Künstlern herumzieht und säuft. Er sagt, nur wenn er
     ganz nah herangeht, lernt er was. Ich glaube, er wird nicht lange an der Hochschule bleiben. Er ist nett, aber viel zu alt.
     Fünfunddreißig.
    Jackson wird nie so einer werden. Er ist auf merkwürdige Weise so gut sortiert. Es ist mir unheimlich. Als ob da etwas heruntergehalten
     wird, das explodieren könnte, es aber niemals wird. Ein Dauerständer,

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