Naechte am Rande der inneren Stadt
dann wackeln und klappern die Gläser, in denen er die Tomaten und Gewürze aufbewahrt. Es ist die beste Pizza, die ich
kenne. Ein Stück eine Mark.
Konrad hat mir geholfen, die letzten Sachen aus der alten Wohnung zu räumen und sie sauber zu machen. Alles war sehr leicht,
einen Moment lang stellte ich mir vor, ich wäre mit ihm zusammen und alles wäre klar.
Robert hat für mich Kohlen mitbestellt; er sagt, es wird bald kalt, und es ist billiger, sie jetzt zu kaufen. Er saß im Sessel
mit Josef auf dem Schoß; er sah aus wie ein Mädchen und ein Junge zugleich. Er hat schöne sanfte Augen. Sein Bart leuchtet
wie ein Schatten auf seinem Gesicht, selbst wenn er sich gerade rasiert hat. Er ist zierlich, bewegt sich aber wie ein Sportler.
Seltsame Zurückhaltung in Berührungen. Unmöglich, ihm wie einem Kumpel übers Haar zu streichen. Ihn zu umarmen. Er stand vor
dem Regal und sah sich an, welche Bücher ich habe. Er lieh sich Rimbaud aus. Ob wir immer in diesem berührungslosen Raum miteinander
bleiben?
Neulich hat er gesagt, ich wär eine Schlampe, kaum ist der eine fort, nimmt sie sich den Nächsten, aber so ist es nicht, und
ich habe keine Lust, mich zu erklären.
Fortan bin ich keinem mehr treu.
Oktober
Mit Benno schlafe ich, wenn mir der Sinn danach steht. Er ist aus Italien zurückgekommen und hat mir von allem vorgeschwärmt,
Ravenna, Siena, Florenz, Rom, er war überall.
|165| Schwenkst du jetzt auf Renaissance um? fragte ich, als wir in seinem Bett einen Joghurt aßen.
Wieso denn? fragte er zurück. Das sind doch nur Grundlagen!
Seine Wohnung ist in Friedenau, nahe der S-Bahn , ruhige Gegend, schöne halbsanierte Altbauten. Sein Vater ist Architekt, in Stuttgart, und seine Mutter lehrt Design. Seine
Schwester will Jazzsängerin werden. Sie hat eine fantastische Stimme, sagt Benno. In Bennos Familie ist alles in Ordnung.
Ich muss mich verirrt haben. Er hat einen Bauhaus-Freischwinger und Keramiktassen aus den zwanziger Jahren, ansonsten ist
alles adrett und aufgeräumt; Fernseher, riesiger Schreibtisch, zwei mittelgroße Yuccapalmen am hohen Fenster, ein Lesesessel,
ein handgewebter Teppich; das große Bett steht in einem schmalen Extraraum. Er hat sogar einen Computer. Von meinem Zusammenbruch
hat er nichts mitbekommen, ich habe ihm auch nichts erzählt. Er ist nicht der, der der Einzige sein könnte. Dafür gab es nur
einen. Aber trotzdem, irgendwie mag ich Benno.
Ich träumte, ich käme in Bennos Zimmer, und er sah nur kurz auf und sagte: Ach nein, Eva, es ist wirklich zu spät, worauf
ich ihn mit Sachen bewarf. Dann kam es heraus, er hatte ein Verhältnis mit seiner Dozentin, o Gott o Gott, und dann sagte
er, weißt du, du langweilst mich mit deiner Muse! Wen meinst du nur um Himmels willen? fragte ich. Der Traum ging seltsam
weiter, und ich erinnere mich nur, dass Benno zuerst ganz kalt war, dann aber mein Gesicht streichelte.
Ich wachte auf und fragte mich, ob ich mich womöglich in Benno verliebt habe, ohne es zu merken. Aber es ist Unsinn. Mein
Traum ist ein
Verschiebebahnhof
. Ich träume von Benno, der zugibt, etwas mit einer anderen zu haben, und natürlich ist es Jackson – und ich platze vor Eifersucht!
|166| Heute Nacht tanzte Theo Hölt durch meinen Traum und sah aus wie eine Transe, in schrillen Kleidern, und seine Zahnlücke blitzte
und seine Augen sahen mich so irre an und er fragte, ob ich das nicht auch immer träume, dass man mir die Brüste amputiert.
Ich habe jetzt schon wieder seit Tagen Kopfschmerzen und kann nicht schlafen. Ich war heute bei Konrads Opa und habe ihn um
eine Beruhigungsspritze gebeten; er hat mir keine gegeben, er hat gesagt, es wäre nicht gut, und es würde schon wieder, und
dann hat er mir Baldrian gegeben, damit ich besser schlafen kann.
°^°
1 / 61, Moritzplatz, Büro Berlin,
every day is a new day.
eine woche auf der rolle. keine angst vor dem chaos.
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Der November ist, wie er sein soll, grau und verhangen. Robert hat mir ein Gedicht geschenkt, es handelt vom Winter und vom
Kennenwollen
. Er scheint immer auf irgendwelche Bekenntnisse zu warten, und dass ich mich ihm anvertraue. Konrad hat es mir vor langer
Zeit erzählt, dass Robert so etwas Vampirhaftes haben kann, als ob wir seine geheime Sammlung
Menschenherzen – Geständnisse wider Willen
vervollständigen sollten.
Konrad wollte Fotos vom Wedding machen und bat mich, ihn zu begleiten.
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