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Naechte am Rande der inneren Stadt

Titel: Naechte am Rande der inneren Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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wildfremde Typen, die sagten, sie
     hätten gehört, hier wäre was los. Stimmen kreuzten sich, Gelächter; laute Musik. Einen besoffenen Randalierer mussten wir
     rausschmeißen. Eva tanzte mit allen; sie trug ein dunkelblaues, fließendes Kleid mit einem eckigen Ausschnitt, in dem eine
     dunkle Granatkette auf ihrer weißen Haut funkelte. Ich ließ sie nicht aus den Augen.
    Benno lauerte im Türrahmen und tat entspannt, Robert stand in einer anderen Ecke und arbeitete mit dem Kiefer. Ich sah es,
     und die Jungs sahen es auch. Die Jungs rochen Lunte; und plötzlich dachte ich:
Sie haben von Anfang an Lunte gerochen,
dass da etwas vor sich ging, zwischen Eva und Robert. |188| Benno und Robert fixierten Eva, es war wie der Countdown in einem Western; und alle waren auf Roberts Seite. Benno tat mir
     fast schon leid.
    Plötzlich steuerte Robert auf Eva zu und sagte etwas zu ihr. Sie wurde ernst. Dann bewegten sich beide zur Musik, es lief
     gerade etwas sehr Langsames, Auge in Auge, ohne sich anzufassen, wie in Hypnose. Robert war kein Tänzer.
    Er war ein zierlicher Mann mit schweren Knochen, der mir in diesem Augenblick so anziehend erschien wie nie, aufregend und
     extravagant, wie gemacht für meine geliebte Freundin.
    Ich war betrunken, von den beiden wie vom Wein. Und ich dachte kurz an Jackson, von dem sie schon lange nicht gesprochen hatte
     und der irgendwo am anderen Ende der Welt von alledem nichts mitbekam.
     
    Nach Mitternacht, als wir zum Savignyplatz liefen, um das Feuerwerk anzusehen, sagte Eva: Ich glaub, Benno ist abgehaun.
    Um uns herum standen die Leute auf der Straße, schossen ihre Lichterblumen, Knaller und Farbregen ab und riefen sich
Ein Glückliches Neues Jahr!
zu. Sie feierten in den anliegenden Kneipen und Cafés. 1987 begann in einer klaren kalten Nacht.
    Als wir zu frieren anfingen, liefen wir wieder zurück zu unserem Fest. Ich hakte Robert und Eva unter. Jetzt will ich mal
     mit meinen liebsten Menschen aufs Neue Jahr anstoßen, sagte ich. Vereinzelte Böller krachten, Lichter flammten auf und verglühten
     am Himmel. Wir rutschten und schlitterten auf dem vereisten Gehweg herum und hielten uns aneinander fest und lachten.
    Jawohl, rief Eva lauthals, auf die Freundschaft!
    Robert, betrunken wie selten und ungewöhnlich gelöst, sang laut, wir sind immer für dich da, und redete wie ein Wasserfall
     vom Geben ohne Nehmen, das wäre die Liebe, und sonst gar |189| nichts, und Eva sagte, das ist aber Konrads Spezialität, und außerdem brauchst du dann immer einen, der nimmt, oder eine,
     und dann küsste sie mich, und dann küsste sie ihn, und es ging immer so weiter.
    Gegen Morgen, als alle übrigen Gäste das Feld geräumt hatten, saßen wir zu dritt in Evas Küche; ihr Zimmer roch extrem nach
     Rauch; wir hatten die Fenster aufgerissen. Ich fragte mich, wo Eva schlafen würde.
    Überall in der Küche standen Pappteller, leer oder mit Essensresten, benutzte Gläser, Flaschen, irgendwelche Gefäße mit ausgedrückten
     Kippen. Selbst der Herd war vollgestellt, es war unmöglich, ihn zu beheizen. Ich war nicht mehr in der Lage, das ganze eklige
     Zeug zu entfernen, ich hielt mich gerade so auf den Beinen.
    Wir können zu mir rüber, schlug Robert vor.
    Nee, sagte Eva.
    Wir behielten unsere Mäntel und Schals an. Robert holte zu einer langen Rede über Tarkowskij aus, den russischen Filmemacher,
     der in Paris im Exil gerade an Krebs gestorben war, und schon wieder über die Liebe. Eva hatte kurz den Kopf auf die Tischplatte
     gelegt und hob ihn langsam wieder hoch.
    Ja, sag mal, sagte sie und sah Robert interessiert an.
    Sein letzter Film hieß ›Opfer‹, sagte er, und blieb unvollendet.
    Robert stand auf und ging quer durch die Küche auf die Tür zu. Wir sahen ihm erwartungsvoll nach. In der Tür drehte er sich
     um.
    Die Liebe, sagte er, ist die einzige Kraft gegen das Böse. Siehste.
    Er stützte nach beiden Seiten den Rahmen.
    Se schwankt so, sagte er, ick musse festhalten. Haste nich jesehn, die Tür is janz schief.
    Eva und ich nickten ernsthaft. Jaja, mach mal, sagte Eva, das ist wichtig.
    |190| Liebe heißt opfern, sagte er – seine Zunge war mehr als schwerfällig, es klang wie
offern –
womit wir wieder beim Heiligen wären.
    Eva und ich klatschten. Evas Lidschatten war verschmiert. Sie trug eine dicke Jacke über ihrem Kleid, Handschuhe und Mütze.
     Sie sah aus wie ein kleines Mädchen beim Schlittenfahren.
    Welches Heilige? fragte sie.
    Komm her, sagte ich zu Robert, ich

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