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Naechte am Rande der inneren Stadt

Titel: Naechte am Rande der inneren Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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glaube, die Tür ist okay.
    Okay, sagte er.
    Die Minuten dehnten sich. Wir sprachen und bewegten uns in Zeitlupe. Robert kam auf Eva zu, die auf der Bank saß. Sie drehte
     schmutzige Gläser und Flaschen auf dem Tisch hin und her, verschob sie, intensiv damit beschäftigt, sie immer wieder neu anzuordnen.
     Manchmal kippte ein Glas, sie fing es auf, wir sahen ihr gebannt dabei zu.
    Ich kann nur diese Sicht der Dinge annehmen, murmelte sie versunken, immer eine andere Perspektive, was anderes kann ich nicht.
    Perspektive
sagte sie ganz deutlich.
    Ich werde jetzt einen Kaffee kochen, sagte sie und blieb sitzen.
    Wisst ihr, die Liebe, das ist die physische Leidenschaft. Und die Kunst. Die Poesie.
    Sie schlug Robert munter auf die Schulter.
    Die Poesie ist wichtig!
    Sie schwankte mit dem Oberkörper.
    Und die Philosophie natürlich! Sie erhob sich halb, streckte den Arm über den Tisch aus, klopfte auf meinen Arm und ließ sich
     wieder fallen.
    Aber, sagte sie, der Benno, der sagt immer, er hat keine Träume. Er ist ein Mann des Tages, sagt er, aber ich bin mir sicher,
     dass er träumt. Ein Mann, der nicht träumt, das gibt’s gar nicht! Ich will wissen, was er träumt! Und er will es mir nicht
     sagen! Immer muss er die Kontrolle haben! Er will es |191| mir nicht sagen, er gönnt es mir nicht, dieser Geizkragen! Er sagt, dass sich immer ordentliche Kerle in mich verlieben, disziplinierte
     Männer, die meiner Unordnung verfallen. Er ist ja so gescheit, passt mal auf, wie ich mich da aus der Affäre ziehe, wie raffiniert!
    Wir sahen sie erwartungsvoll an. Robert trank Reste aus fremden Gläsern, ich fand eine Flasche Mineralwasser. Das Gespräch
     schien noch etwas zu dauern.
    Er sagt – Eva ruderte mit dem Arm gefährlich nah an den Gläsern entlang – er liebt mehr den Freund in mir, hat er gesagt,
     mehr als die Frau. So eine Unverschämtheit!
    Eva brüllte. Ich –
    Pscht! machte ich.
    Pisch
mich nicht an, sagte Eva und drohte mit dem Zeigefinger. Umgekehrt ist es genauso! Umgekehrt, sage ich zu Benno, ich liebe
     den Freund in dir, jawohl, und deshalb, lieber Freund, kann ich küssen, wen ich will! Nicht wahr?
    Ach, sagte ich.
    Das ist eine interessante Feststellung, fügte Robert feierlich hinzu.
    Er hat gesagt, sagte sie, seit er mich kennt, wär er nicht mehr depressiv!
    Das muss ja schlimm gewesen sein vorher, sagte Robert gespielt ernst.
    Ich spürte einen unwiderstehlichen Lachreiz.
    Er spielt sogar wieder Bratsche, sagte Eva.
    Bravo, schrien wir beide und klatschten, bravo!
    Er will auch einen Freund haben, dich, Robert, und dich, mein lieber Konrad!
    Sie stand noch einmal schwankend auf, reichte mit ihrer Hand über den Tisch und legte sie kurz an meine Wange. Sie versuchte
     mich über den Tisch zu küssen. Ein Glas fiel herunter.
    Pass auf, sagte ich, setz dich lieber wieder hin.
    Sie ließ sich zurück auf die Bank fallen, stützte den Arm auf und legte ihren Kopf in die Hand.
    |192| Es ist so schön, wenn ich jemanden glücklich machen kann!
    Sie seufzte tief und sah aus, als würde sie gründlich nachdenken. Meine Füße wurden eisig dabei. Robert fielen die Augen zu,
     er versuchte, sie immer wieder zu öffnen.
    Ich habe ihn zum Lachen gebracht, sagte Eva schließlich. Aber vielleicht ist es besser, ihn zur Verzweiflung zu bringen!
    Jawohl, sagte ich, bring ihn zur Verzweiflung! Nur in der Verzweiflung fängt der Mensch an zu denken!!!
    Ja, sagte Eva, der ist ja sonst immer nur am Rennen.
    Sie mimte einen Stier vor einem roten Tuch. Wir lachten.
    Der müsste sich mal wie Oblomow aufs Sofa hauen und nichts tun!
    Sie schüttelte sich. Sie murmelte etwas, wischte mit der Hand durch die Luft. Zuckte die Achseln.
    Jetzt aber mal im Ernst, fing sie an. Sie hickste. Es muss eine Treue ohne Korsett geben. Ich kann schließlich nicht immer
     türmen, nur weil ich einen andern treffe, der mir auch gefällt! Wo komm ich denn da hin? Es gibt also keine Treulosigkeit
     in diesem Fall, das ist doch total logisch, oder?
    Sie sah uns fragend an. Plötzlich fand ich sie beunruhigend blass, von der langen Nacht, sie hatte starke Schatten unter den
     dunkelgrünen Augen. Sie hatte viel zu viel getrunken. Ich suchte nach meinen Zigaretten.
    Oder? sagte sie drängelnd. Sagt mal!
    Noch einmal schlug sie Robert auf den Arm.
    Ja, voll logisch, stammelten wir beide.
    Ich teile mit allen verschiedene Sachen, sagte sie zufrieden. Ich sehe den Dingen gefasst ins Auge!
    Und dann ließ sie sich zur Seite kippen und ihr Kopf

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