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Naechte am Rande der inneren Stadt

Titel: Naechte am Rande der inneren Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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wollte seine Hand wegziehen, ich hielt sie fest.
    Mein Bruder hat mir zu früh Pornos gezeigt, sagte er kaum hörbar. Das hat mich verdorben. Ich hatte dann immer Probleme mit
     anderen, das ist die Schwierigkeit, wenn man sich selbst so gut befriedigen kann. Ich musste den Mädchen gar |216| nicht erst nahekommen. Ich fand die Begegnung aufregend, das genügte. Ich war vielleicht auch etwas schüchtern. Ich bin nach
     Hause und hab mir einen runtergeholt. Direkt.
    Er machte eine Pause und holte tief Luft. Ich hielt meine an.
    Bist du schockiert?
    Nein, log ich. Ich wusste nicht genau, was ich war. Ich drehte mich zu ihm und wollte ihn küssen. Er schob mich weg.
    Sprich, sagte er. Los, sag was.
    Danke, dass du es mir gesagt hast, so, sagte ich verwirrt.
     
    Er streichelt sich nicht zuerst, wie Frauen es tun. Er macht es nach angespannten, knistrigen Begegnungen.
    Es hat ihn gewundert, dass ich es wissen will; sein Sprechen wurde ganz spröde, dann sagte er, er wäre neugierig, hätte sich
     gern von mir lieben lassen, weil er nie im Mund einer Frau gekommen ist –
    Wir waren zu müde –
     
    Wenn ich am Schreibtisch sitze, steht er manchmal neben mir oder beugt sich herab, um meinen Nacken zu küssen, und dann durchläuft
     es mich, als wären wir ineinander und nackt.
    Etwas geschieht hier, was ich nicht kenne.
    Paul hatte vor nichts Scheu; er packte mich, warf mich manchmal regelrecht hin und her, schob meinen Körper, ließ ihn tanzen
     – aber niemals hatten unsere Begegnungen diese eigentümliche Spannung, als betrete man verbotene, schwierige Bereiche, wie
     es jetzt mit Robert ist.
    Sollte ich mich untersuchen lassen, wegen früher? Wegen Paul? Paul hat mit Männern und Frauen geschlafen; wir hatten keine
     Ahnung von Aids.
     
    Letzte Nacht war ihm nach Ausprobieren. Er ist sanft, ganz sanft, so sehr darauf bedacht, mich nicht zu verletzen, mir keine
     Gewalt anzutun. Er inspizierte vorsichtig meinen anderen |217| Körperausgang. Ich zeigte es ihm, an ihm, er ist sehr empfindlich, es war das erste Mal, dass er erfuhr, wie erregbar er in
     diesem Bereich ist.
    Es tat nicht einmal weh.
    Robert ist zum Glück so zart gebaut. Wir benutzten Creme. Wir lachten ein bisschen in Komplizenschaft. Ich habe bestimmt sehr
     laut geschrien.
    Ich hörte Robert heftig atmen, sehr tief. Du, sagte er, du.
    Wir sahen uns an, ich bog meinen Kopf zurück über die Schulter – wir sehen uns an – es ist überwältigend – ich habe das Gefühl,
     wir werden verrückt –
    Das wird gefährlich, sagte er später. Doch dann lachte er und fragte: Für wen? Wenn es anders wäre, wäre es nicht so stark.
     Ich liebe deinen Körper.
     
    Er ist nicht zarter als Konrad, Konrad war wie ein knochiges Mädchen, und er hatte keine Haare an den Beinen, am Rücken oder
     am Bauch, was mir gut gefallen hat. Er war schüchtern, aber er ließ sich hinreißen. Etwas war vollkommen ungebrochen in ihm.
     Sein Mund war so weich. Er zitterte oft, wenn wir uns küssten. Ich will gar nicht daran denken.
     
    In meiner Wohnung fühle ich mich freier als in seiner, auch wegen der alten Nachbarn, die unter ihm wohnen. Wir sind fast
     immer bei mir.
     
    Wir gehen ins Kino, wieder Tarkowskij, ›Nostalghia‹. Ein Mann watet mit einer Kerze durch ein leeres Haus, in dem ihm das
     Wasser bis zu den Knien steht. Ist es ein Traum oder Wirklichkeit?
    Wir gehen getrennt nach Hause, sagt Robert.
    Keine Ahnung, warum, ein neues Spiel. Er hat manchmal solche Einfälle. Vor der Tür lauert er mir auf, wir küssen uns wie Fremde.
     
    |218| Um sieben Uhr wache ich auf, ich höre ein Plätschern. Es kommt aus der Küche. Ich stehe mürrisch und verschlafen auf und gehe
     zur Küche. Ich schalte das Licht in der Küche ein: Das Wasser steht knöchelhoch! Ich gehe wie in Trance zum Bett zurück, schließe
     die Augen. Ich bin in Tarkowskijs Film. Ich lege mich zu Robert, der noch tief schläft. Das Plätschern hört nicht auf, ich
     komme langsam zu mir. Robert, die Küche! Ich glaub, sie ist überschwemmt!
    Verflucht, schreit er, springt aus dem Bett und rennt im Hemd in den Keller, dreht den Haupthahn ab.
    Das Rohr in der Wohnung über mir ist gebrochen, weil die Leute verreist sind und niemand geheizt hat. Draußen sind minus zweiundzwanzig
     Grad!
    In der Küche kommen die Tapeten von der Decke und den Wänden. Sie rollen sich ganz langsam ab, dicke Schichten. Auch der Flur
     ist nass. Es ist ein riesiger Schaden. Alles ist feucht. Ein Klempner kommt, die

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