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Naechte am Rande der inneren Stadt

Titel: Naechte am Rande der inneren Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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fühlte mich abgewiesen, allein. Er hatte nur an sich gedacht.
    |221| Hör zu, sagte er nach einer Weile, ich bin vollkommen unerfahren. Du versetzt mich in Zustände, die ich nicht kenne. Ich habe
     keine Kontrolle über mich.
    Ich war verwirrt. Ich wusste nicht, wem ich trauen sollte. Er erschien mir plötzlich so – unversehrt. Irgendwie – ungerührt.
    Ich, der Frauenheld, sagte er sarkastisch, weiß immer, was zu tun ist.
    Da wusste ich überhaupt nicht mehr raus aus der Situation.
    Wie nah muss man sich denn noch kommen, um Vertrauen zu haben? fragte er wütend. Vertrauen heißt auch verzeihen!
    Mein Kopf redete mir gut zu, doch da war etwas, in seiner Stimme, in seinem Geruch sogar, das mir fremd war. Mich befiel ein
     schrecklicher Sterbewunsch. Mein Körper spielt verrückt. Ich kenne mich nicht mehr.
     
    Jetzt habe ich Angst, dass es aus ist. Ich kann nichts dagegen machen. Ich scheue mich, ihm diese Angst zu gestehen, obwohl
     er immerzu sagt, er will alles von mir wissen. Ich verstehe das nicht.
     
    Die Intimität tritt etwas los, was wir nicht kennen. Plötzlich stelle ich mir vor, dass er zu Nora geht. Dass er mit ihr etwas
     erlebt hat, was er jetzt von mir will und was ich ihm nicht geben kann.

3 (Kleine Odaliske, Matisse)
    Also bin ich rüber zu Nora. Ich wollte wissen, mit wem Robert zusammen gewesen ist. Wie er da gewesen ist. Er hat sie mir
     vorgestellt, auf der Straße, es ist schon Wochen her. Sie hat mir ihre Telefonnummer auf eine leere Zigarettenschachtel geschrieben.
     Kannst aber auch ohne Anrufen kommen, hat sie |222| gesagt. Sie wohnt gleich um die Ecke, Goethestraße, im fünften Stock. Treppen hoch, Herz laut. Sie wundert sich überhaupt
     nicht, dass ich es bin.
    Kommst du zurecht mit ihm? fragt sie gleich.
    Sie sitzt im Schneidersitz auf der Erde und schält eine Apfelsine.
    Ich nicke irritiert und schüttle den Kopf.
    Ich finde ihn wahnsinnig kompliziert, du nicht?
    Ich muss lachen. Na ja, sage ich. Aber.
     
    Wir hörten Billie Holiday, rauchten und redeten, das heißt, sie rauchte und ich paffte. Ich fand es schön, ihre Gesten zu
     imitieren. Wie sie die Zigarette dreht, das Papierchen leckt, sie zwischen ihre schmalen Lippen klemmt, es hat so etwas Lässiges.
     Sie hat leicht schräg stehende, kluge Augen. Ich sah mich in dem großen Zimmer um.
    Wo ist Mirko, dein Mann? frage ich.
    Wir wohnen nicht mehr zusammen.
    Das hat Robert mir gar nicht erzählt.
    Es ist nur zwei Monate gut gegangen, sagt Nora, wir haben uns über jeden Kleinkram gezankt. Ich bin ordentlich, er ist es
     nicht; ich habe es gern schön, ihm ist es völlig egal. Um der Liebe willen sind wir auseinandergezogen.
    Tatsächlich ist es bei Nora aufgeräumt und alles atmet etwas Luftiges. Wie sie die Dinge anordnet, wie sie die roten Tulpen
     in die Vase stellt; es entspricht ihrer inneren Anmut. Sie ist großzügig und humorvoll.
    Ich hatte Kopfschmerzen; ich dachte, das Paffen hilft; es half aber nicht; schließlich holte Nora Eis aus dem Kühlschrank
     und steckte es in einen Waschlappen und legte ihn mir auf die Stirn. Ich koch uns einen Espresso, sagte sie, der hilft.

|223| 4 (Ensemble: Berliner Winter)
    Auf der Leiter stand ich, riss die nassen Tapeten von den Wänden, als das Schloss klang. Meine Stimme, die ich hörte, den
     Namen meines Liebsten rufend. Da biegt er in den Türrahmen und ich habe Lust, mich von der Leiter rutschen zu lassen – ich
     warte auf ein Wort, im Kopf die letzte gemeinsame Nacht. Ich hocke mich auf die oberste Stufe, das Zeug in der Hand. Wir lächeln
     uns an. Wie weggeblasen ist die Angst.
    Ich habe etwas für dich, sagt er.
    Was denn?
    Komm, sagt er und zieht mich ins Zimmer mit dem Bett.
    Er küsst mich.
    Ich liebe dich, sagt er.
    Er streift mir die Kleider ab, bis ich nackt vor ihm liege. Er ist angezogen.
    Mach die Augen zu, sagt er. Ich gehorche.
    Vertraust du mir?
    Ja.
    Dann lass die Augen geschlossen. Er zieht sich aus, so hört es sich an.
    Robert legt sich warm auf mich. Sein Mund verschließt meinen.
    Wenn wir uns alles sagen, kann uns nichts geschehen. Ich werde dir alles von mir zeigen, willst du es auch tun?
    Ja, sage ich, unter seinen Küssen.
    Ich höre ein Klicken, spüre etwas Metallisches, ich reiße die Augen auf.
     
    Als er fort ist, finde ich einen Zettel: Es wird schon.

|224| 5 (Ensemble: Intimität)
    Ich habe Kopfschmerzen. Heute.
    Robert kam früh vorbei und erzählte mir von seiner Mutter. Er hat sie nie nackt gesehen. Er fragte nach meiner

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