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Naechte am Rande der inneren Stadt

Titel: Naechte am Rande der inneren Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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Mutter.
    Ich rede nicht gern über sie, habe ich gesagt, noch nicht. Aber ich habe sie oft nackt gesehen.
Wir haben manchmal zusammen gebadet, dachte ich, Anka, Mama und ich.
    Die Frauen sind mir immer ein Rätsel gewesen, sagte er, und dann fing er an, mir von Mathilda zu erzählen. Mathilda heißt
     in Wirklichkeit Susanne, aber er nennt sie stur Mathilda. Mich nennt er Milena, und manchmal, wenn er mich ärgern will oder
     mich nach Konrad fragt, auch Lilja.
    Lilja, wie die Geliebte Majakowskijs, die mit Majakowskijs Verleger verheiratet war und den sie niemals verlassen wollte,
     weshalb Majakowski sich umgebracht hat. Hat Robert mir erzählt, als er mich zum ersten Mal Lilja nannte. Er nannte mich eigentlich
     nur im Zusammenhang mit Konrad Lilja. Das sollte mir zu denken geben! Aber in welche Richtung? Es gibt im übrigen andere Meinungen
     über Majakowskijs Tod; es soll etwas Politisches im Spiel gewesen sein. Vielleicht war es gar kein Selbstmord. Er hatte einen
     kantigen Schädel und war sehr ungestüm, dabei von vollkommenster Zartheit. Ich lese seine Liebesbriefe an Lilja. Sie sind
     schön. Ich verrate es Robert aber nicht. Er hat sie mir geschenkt.
    Robert hat gesagt, wir sollten absolut ehrlich miteinander sein, egal, wie brutal es ist. Er sagt, sein Motto sei ein Wort
     von Paracelsus
: Je größer die (Er-)Kenntnis, desto größer die Liebe.
Er will natürlich vor allem wissen, mit wem ich wie geschlafen habe und mit wem ich jetzt schlafe. Es geht immer nur darum.
     So was Blödes. Ich schlafe mit gar keinem anderen, aber auf diese Weise will ich mich auch nicht festnageln lassen, obwohl
     ich im Grunde auch vollkommen ehrlich sein |225| möchte, damit wir uns kennenlernen. Ich möchte so gern einen Menschen richtig kennen. Ich möchte einen lieben, von dem ich
     so viel wie möglich weiß. Und ich möchte mich dabei kennenlernen, denn manchmal denke ich, über mich selbst weiß ich am allerwenigsten.
     
    Als Robert gestern von sich erzählt, bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich wirklich alles wissen muss. Heute.
     
    Er erzählte weiter von seiner alten Freundin. Es war die erste, mit der er Sex hatte.
    Bei Mathilda hätte er immer gewartet, dass sie ihn auffordert, bei ihr zu bleiben. Bei mir hätte er mich zwar zuerst geküsst,
     aber dann hätte er auch gewartet. Ich habe es etwas anders in Erinnerung, aber macht nichts. Ich wollte gar nicht so viel
     von Mathilda wissen. Die ganze blöde Mathilda-Arie. Ich dachte an meine krummen und schiefen und schrägen Leib-Seele-Begehren-Liebe-Trenn-Geschichten.
     Irgendwie hatte ich nie einfache Geschichten. Die einzige einfache Geschichte wäre vielleicht Benno geworden, aber das war
     ja von Anfang an schief. Benno war mir zu zwanghaft. Benno musste jeden Tag zur selben Zeit aufstehen, Benno musste jeden
     Abend die Tagesthemen sehen und danach schlafen gehen, Benno ist der ehrgeizigste Student, den ich je gekannt habe. Benno
     hat ein spitzbübisches Gesicht mit lebhaften Augen und Grübchen, und ich mochte es, ihn zum Lachen zu bringen. Aber dann sagte
     er zu mir: Dass du so oft mit mir schlafen willst, das ist doch irgendwie nicht normal.
    Manchmal muss ich richtig aufpassen, meine eigene Vergangenheit nicht zu hassen; ich bin ganz müde von dem Durcheinander.
     Ich empfinde mit Robert eine Wirklichkeit, da, wo ich bei den anderen immer ein Sehnen empfand, aber vielleicht ist das alles
     Unsinn und ich habe es da auch gedacht und dann war es plötzlich futsch. Hanne Darboven streicht Heute durch, weil im Heute die Vergangenheit wohnt. Die |226| Vergangenheitsform in der Sprache schafft Distanz. Es war einmal... und ist nicht mehr? Doch! Gerade! Ja, was denn nun? Es
     tut weh!
     
    Wir kriegen das schon wieder hin, sagte Robert, als er merkte, dass mich die ganzen Mütter-und-Mathilda-Geschichten traurig
     machten.
    Unsere Zartheit in solchen Gesprächen; die Offenheit; meistens hört man doch auf zu sprechen, wenn es wirklich wichtig wird.
     Alles wird geheimnisvoll mit Robert.
    Trotzdem habe ich Kopfschmerzen. Heute.

6 (Ensemble: Soziale Plastik)
    Wir waren bei Harro eingeladen; die Jungs gafften; Konrad betrank sich. Seit ich die Jungs das erste Mal kennenlernte, vorm
     Kino, mit Konrad, gaffen sie mich an. Als ob ich ein Tier wäre. Ich finde sie eng. Robert ließ mich links liegen und redete
     mit allen möglichen Frauen. Konrad sagte, das sind alles Mädels, die er verhext hat. Robert warf mir nicht ein einziges Mal
     einen seiner

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