Naechte der Leidenschaft
Ereignis hatte sich Emmas Vater dann, bis sie fast neunzehn war, Zeit damit gelassen, ein neues Verlöbnis zu arrangieren. Er war dabei sehr umsichtig zu Werke gegangen. Lord Kenwick hatte zwei ziemlich verwegen aussehende Burschen in seine Dienste genommen, deren Aufgabe es gewesen war, die in Frage kommenden Kandidaten auf Herz und Nieren zu überprüfen. Lord Fulk hatte er als den Besten von ihnen befunden. Außerdem lag Castle Eberhart nicht allzu weit entfernt, sodass es Emma möglich wäre, ihren Vater so oft zu besuchen, wie sie es wünschte. Überdies gab es absolut keinen Hinweis darauf, dass Lord Fulk jemals Anzeichen gezeigt hätte, Frauen zu misshandeln. Er galt als gelehrter Mann, der einen großen Teil seiner Zeit mit geistigen Studien verbrachte, die ihn bisweilen auch über längere Zeitspannen hinweg von zu Hause fern hielten.
Höchstwahrscheinlich ist das für Vater der entscheidende Punkt gewesen, dachte Emma jetzt mit einer Spur von Einsicht. Vermutlich hatte er diesen Umstand für seine Tochter als höchst vorteilhaft erachtet. Für seine Tochter, die es nicht gewohnt war, unter der Fuchtel eines anderen zu stehen, denn wenn sie ihrem Vater auch stets gehorcht hatte - nun ja, meistens jedenfalls -, so musste man dem hinzufügen, dass seine Erziehung nicht übermäßig streng gewesen war.
Und um es klar zu sagen, ihr Vater hatte eine gute Wahl getroffen, denn abgesehen davon, dass ihr Mann es nicht über sich gebracht hatte, das Ehebett mit ihr zu teilen, war Emma in den beiden Jahren ihrer Ehe recht glücklich gewesen. Im Grunde war ihr Leben fast genauso weitergegangen, wie sie es aus ihrem Elternhaus kannte. Jetzt gab es einen neuen Ehegatten und zweifelsohne hatte sie ihrem Cousin für dessen Auswahl zu danken. Für Emma stand fest, dass Rolfe es als seine Pflicht angesehen hatte, den König bei dieser Wahl zu beraten, jetzt, da ihr Vater tot war.
Ja, ich bin sehr glücklich, zwei Männer wie meinen Vater und Rolfe in meinem Leben zu haben, dachte Emma, als sie noch einen Umweg die Treppe hinauf machte, um Pfeil und Bogen aus ihrem Zimmer zu holen. Und jetzt schien das Glück ihr einen dritten beschert zu haben. Denn durch seine Rücksicht heute Nacht hatte ihr Gatte bereits bewiesen, dass er ein freundliches, sanftes Lamm von einem Mann war. Das Bild, das sie sich von ihm zu machen begann, war das eines streng und finster blickenden Mannes, der in seinem Innern nur ein kleiner verletzter Junge war. Ein verlassenes Kind auf der Suche nach einem Ort, den es sein Zuhause nennen konnte. Ein Heimatloser auf der Suche nach den Armen einer guten Frau, die ihn umsorgte. Und für diese Aufgabe war Emma genau die Richtige.
»Fahr zur Hölle, verdammt!«, knurrte Amaury, als er dem Wegelagerer den Garaus machte, der sich erdreistet hatte, ihm mit seinem Schwert zu nahe zu kommen und eine tiefe Wunde in seinen Arm zu schlagen.
Die Augen des Mannes weiteten sich vor Schmerz, als das kalte Feuer des Schwertes ihn durchdrang. Entsetzt starrte er auf seinen Bauch, aus dem das Blut herausschoss, ehe er zusammenbrach und zu Boden sackte. Augenblicklich wichen seine Kumpane ein, zwei Schritte vor dem Ritter zurück, den sie umzingelt hatten, und warteten auf eine Gelegenheit, ihm zu Leibe zu rücken.
Sich ihrer Absicht bewusst, war Amaury dankbar, den Baum hinter sich zu wissen, vor den er sich in kluger Voraussicht gestellt hatte, als die Halunken aus dem Dickicht zwischen den Bäumen hervorgesprungen waren und seinem Pferd einen Hieb versetzt hatten, sodass es sich aufgebäumt und ihn abgeworfen hatte.
Einmal mehr fluchte er über seine üble Laune, die ihn so unaufmerksam gemacht hatte, dass es diesen Kerlen gelungen war, ihn zu überrumpeln. Wäre er nicht so abgelenkt gewesen, hätte er vielleicht Vorzeichen für diesen Überfall bemerkt. Oder hätte es zumindest geschafft, im Sattel zu bleiben, statt durch das Gras zum nächsten Baum zu kriechen, um seinen Rücken zu schützen, während er sich gegen ein halbes Dutzend Männer zur Wehr setzte ... allein ... mit nichts als seinem Schwert und seinem Dolch in den Händen. Er konnte nur froh sein, dass nur drei dieser Banditen Schwerter hatten, zwei waren mit Knüppeln bewaffnet und ein weiterer fuchtelte drohend mit einem Messer herum. Nun, jetzt sind es nur noch zwei, die ein Schwert haben, dachte Amaury zufrieden, fluchte aber gleich darauf, als einer der fünf verbleibenden Angreifer nach dem Schwert seines toten Kameraden griff und dafür seinen
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