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Nächte des Schreckens

Nächte des Schreckens

Titel: Nächte des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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die Tagespresse berichtet wieder über den >Teufel von Sheffields allerdings diesmal in einem ganz anderen Sinne. Vorsichtig deuten die Journalisten die Frage an, ob die Behörden womöglich einen Fehler gemacht haben und es sich hier um einen schrecklichen Justizirrtum handelt... Bei der Polizei teilt man derlei Befürchtungen nicht. In scheinbar unwiderlegbarer Weise erklärt Inspektor Falks, schließlich könne sich jeder mit schwarzer Farbe einschmieren. Es handle sich um eine besonders abgeschmackte Form von Irreführung, und die Polizei tue alles, um den Täter bald dingfest zu machen.
    Doch die Monate vergehen, und der >Teufel von Sheffield< scheint von einer geradezu unverschämten Glückssträhne zu profitieren. Obwohl er mehrmals gesichtet wird, gelingt es ihm immer wieder, der Polizei zu entwischen.
    30. Oktober 1894. Vor einem Jahr ist John Normann gehängt worden. Zwei Polizisten drehen ihre nächtliche Runde durch das Industrieviertel von Sheffield, als sie plötzlich einen Schatten vor sich flüchten sehen.
    Sofort nehmen sie die Verfolgung auf, und diesmal schaffen sie es, den Mann einzuholen und zu überwältigen, bevor er seinen Revolver ziehen kann. Sein Gesicht ist schwarz gefärbt...
    Vor Inspektor Falks spielt Wilbur Barnett am anderen Tag natürlich Theater.
    »Durch die Zeitungen bin ich auf die Idee gekommen, es so zu machen wie Normann! Ich sagte mir, daß mich auf die Weise niemand erkennen wird.«
    Der Inspektor würde ihm nur zu gern glauben, aber er kann nicht. Barnetts Revolver ist derselbe Typ wie der, mit dem Irvin erschossen wurde, und außerdem hat man in seiner Behausung eine Kuckucksuhr gefunden. Sie steht auf der Liste jener Gegenstände, die am Tag des Verbrechens gestohlen wurden. Während der Inspektor das Gnomengesicht ihm gegenüber betrachtet, murmelt er mit halberstickter Stimme: »Auch wir haben ein Verbrechen begangen!«
     

E IN ZWEITES V ERDUN
     
    Wir befinden uns in einer belebten Straße im französischen Städtchen Nogent-sur-Marne. Soeben betreten Christine und Sophie Lefèvre das Gebäude, in dem die beiden wohnen. Gebäude ist allerdings fast zuviel gesagt, denn es handelt sich um ein aus nur drei Stockwerken bestehendes Haus, dessen Wände schon vom Schimmelpilz befallen sind und das eher abbruchreif wirkt. Hier leben Christine und Sophie in einer Dreizimmerwohnung, die sich über die gesamte zweite Etage erstreckt.
    Für zwei Schwestern haben die beiden sehr wenig Ähnlichkeit miteinander. Christine, die Ältere, ist zweiundzwanzig. Sie ist blond und sehr schlank. Die zwanzigjährige Sophie hingegen ist eine kleine Brünette, die ein wenig zur Dicklichkeit neigt.
    Vor einem halben Jahr hatten die zwei beschlossen zusammenzuziehen. Dies nicht etwa, weil sie sich mit ihren Eltern nicht mehr verstanden, sondern weil sie ihre Unabhängigkeit wollten, das war der einzige Grund. Außerdem verdienten beide inzwischen ihren Lebensunterhalt selbst: Christine ist Sekretärin, und Sophie arbeitet als Verkäuferin.
    Das Erdgeschoß des Hauses ist unbewohnt. Es besteht nur aus einer Zweizimmerwohnung, die der Eigentümer für sich selbst reserviert hat, ohne sie je zu nutzen.
    Die beiden Mädchen gehen die knarrende Treppe hinauf, doch sie sind noch nicht im ersten Stock angelangt, als eine sonore Stimme ertönt: »Es lebe Frankreich!«
    Halb mitleidig, halb belustigt, wechseln Christine und Sophie mit leiser Stimme ein paar Worte: »Der alte Bertoux ist wirklich unverbesserlich!« meint die eine.
    »Trotzdem kann er einem leid tun!« erwidert die andere. Derjenige, den sie >den alten Bertoux< nennen, steht in militärisch strammer Haltung am Treppenabsatz der ersten Etage und schwenkt ein Schild in der rechten Hand. Auguste Bertoux war seinerzeit ein mehrfach ausgezeichneter Kriegsheld, der in Verdun von einem Granatsplitter verwundet wurde und sich anschließend einer Gehirnoperation unterziehen mußte. Inzwischen ist er Sechsundsechzig und wirkt eher schwächlich in seinem abgetragenen schwarzen Anzug und seiner Baskenmütze.
    Gutmütig erwidern Christine und Sophie: »Es lebe Frankreich, Monsieur Bertoux!«
    »Was steht denn da auf Ihrem Schild? Lassen Sie mal sehen: >Ich werde am 11. November angreifen!< Ach ja, tatsächlich, morgen ist der 11. November, und außerdem ist es der vierzigste Jahrestag! Werden Sie mit Ihren alten Kriegskameraden zur Parade gehen, Monsieur Bertoux?« Auguste Bertoux antwortet nicht. Seine Gestalt strafft sich noch mehr, sein mageres

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