Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nächte des Schreckens

Nächte des Schreckens

Titel: Nächte des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
Vom Netzwerk:
Männern herum, zweifellos, um Gilbert zu provozieren, und die Atmosphäre im Lokal wird immer geladener.
    Das Gerede im Dorf nimmt zu.
    »Der arme Henri!« heißt es. »Er läßt sich nur deshalb nicht scheiden, weil er ein gottesfürchtiger Mann ist. Ach, manche Menschen können einem wirklich leid tun!«
    Oder: »Die Sache wird noch böse enden, das sage ich euch! Rolande ist jetzt immer öfter beim alten Ferdinand, und wer weiß, was sie da sucht...«
    Der alte Ferdinand genießt in Marlieu einen ganz besonderen Ruf. Er ist Fischhändler, und zugleich gilt er als eine Art Zauberer. Man geht zu ihm, um Brandwunden behandeln zu lassen oder weil die Hühner keine Eier legen oder wegen allerlei sonstiger Zauberei. Und tatsächlich hat man Rolande Rouffier in letzter Zeit häufig aus dem Laden des Fischhändlers beziehungsweise Zauberers herauskommen sehen.
     
    2. Mai 1946, acht Uhr morgens. Die ersten Gäste sind eingetroffen und unterhalten sich mit Rolande, die hinter der Kasse sitzt.
    »Ist Ihr Mann noch nicht auf, Madame Rolande?« fragen sie.
    »Nein, er liegt noch im Bett. Anscheinend hat er gestern abend zuviel getrunken.«
    Gegen zehn Uhr morgens findet sich ein Kollege Henris vom Bürgermeisteramt bei ihr ein.
    »Sagen Sie, was ist mit Ihrem Mann, Madame Rolande? Es ist das erste Mal, daß er nicht zur Arbeit erschienen ist.« Rolande verzieht gleichgültig das Gesicht. Doch da der Mann nicht bereit ist zu gehen, kommt sie schließlich hinter ihrer Kasse hervor.
    »Gut, ich werde nachsehen.«
    Ein paar Minuten vergehen. Plötzlich hört man von oben einen erstickten Schrei, und dann stürzt Rolande die Treppe herunter. Im Gegensatz zu ihrem sonst so frischen Teint ist sie ganz weiß im Gesicht.
    Atemlos, die Hand vor der Brust, stößt sie hervor: »Henri liegt tot in seinem Bett!«
    Mühsam, obwohl sie kaum Luft bekommt, setzt sie hinzu: »Und mein Bruder auch...«
    Eine Stunde später ist das Lokal voller Menschen. Nach vergeblichen Wiederbelebungsversuchen haben die Gendarmen die Leichen von Henri Rouffier und Gilbert Lacroix abtransportiert. Ein Polizeikommissar Lourieie aus der nächstgrößeren Stadt, aus Arras, nimmt die Ermittlungen in die Hand.
    Doch Rolande steht noch zu sehr unter Schock, als daß sie ihm viel sagen könnte. Sie wiederholt nur immer aufs neue: »Ich verstehe es nicht...«
    Der Kommissar beschließt daher, erst einmal die Leute aus dem Dorf zu befragen.
    Selbstverständlich haben diese ihm zum Thema Rolande eine Menge zu erzählen, und innerhalb kürzester Zeit erfährt der Polizist alles über den zügellosen Lebenswandel der Wirtin.
    Jetzt, wo sie bekommen hat, was sie wollte, nämlich ihr Lokal, war Henri ihr nur noch lästig gewesen. Und ihr Bruder hatte ihr immer wieder Vorwürfe gemacht! Kurz gesagt, die öffentliche Meinung beschuldigt Rolande, ihren Ehemann und ihren Bruder vergiftet zu haben.
    Der Kommissar kennt diese Art von Gerede natürlich nur zu gut. Er notiert das Gehörte im Geiste, doch er wartet konkrete Hinweise ab.
    Einen solchen Hinweis liefert kurz darauf ein gewisser Barnabe, der zu Rolandes Stammgästen gehört. Er ist ein etwa fünfzigjähriger Mann von blauroter Gesichtsfarbe.
    Zu Beginn seiner Aussage meint er entschuldigend: »Ich möchte Rolande nicht unrecht tun, aber ich muß Ihnen trotzdem berichten, was geschehen ist. Gestern abend stand ich am Tresen, als ihr Mann hereinkam. Sie sagte zu ihm: >Ich mache dir einen Kaffee, Liebling.< Dann kam sie hinter der Kasse hervor und brachte ihm den Kaffee nach oben. Ich war überrascht, denn das war das erste Mal, daß sie so etwas tat. Für gewöhnlich kümmerte sie sich kaum um ihn.« Der Beamte notiert sich das. Dieser Tatbestand ist um so interessanter, als man auf dem Nachttisch des Toten keine leere Tasse gefunden hat. Aber deutet das wirklich schon auf einen Giftmord hin? Mit solchen Schlußfolgerungen muß man vorsichtig sein. Am besten wartet er das Ergebnis der Autopsie ab.
    Zwei Tage darauf liegt das Ergebnis vor. Es ist höchst erstaunlich und gibt weitere Rätsel auf: »Im Bereich der inneren Organe sind Schäden festzustellen, die auf eine Vergiftung hindeuten. Die Art des Giftes kann jedoch nicht genau bestimmt werden. Es hat keinerlei Spuren hinterlassen. Es handelt sich weder um Arsen noch um Rattengift oder eine andere klassische Substanz.«
    Ein geheimnisvolles Gift also...
    Bis der Kommissar Rolande Rouffier verhören kann, die sich von ihrem Schock noch immer nicht erholt hat,

Weitere Kostenlose Bücher