Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nächte des Schreckens

Nächte des Schreckens

Titel: Nächte des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
Vom Netzwerk:
gekannt haben. Im Büro des Opfers im ersten Stock liegt eine Aktentasche auf dem Tisch. Als der Kommissar sie öffnet, findet er darin fünfzig Goldmünzen und Geldscheine im Wert von dreißigtausend Francs, was im Jahr 1949 eine beträchtliche Summe ist. In Anbetracht der Tatsache, daß offensichtlich kein Kampf stattgefunden hat, trägt dieser Fund zur Verwirrung noch bei. Auf den ersten Blick hätte man dieses Verbrechen für einen ganz gewöhnlichen Raubmord halten können, doch Geld scheint nicht das Motiv gewesen zu sein. Andernfalls wäre der Täter ungewöhnlich nachlässig gewesen.
    Dennoch stößt Kommissar Blanchard bald auf weitere verwirrende Details. In dem provisorischen Büro, das er in der Bürgermeisterei eingerichtet hat, nimmt er die ersten Zeugenaussagen der Dorfbewohner entgegen, und dadurch erscheinen die Dinge in einem ganz anderen Licht.
    Da ist zum Beispiel die Aussage des achtundsiebzigjährigen Fernand Rosier. Der alte Mann, der seinen Schmerz kaum verbergen kann, war nicht nur ein Regimentskamerad des Ermordeten, sondern auch sein bester Freund.
    »Ich bin gekommen, um Sie aufzuklären, Herr Kommissar! Joséph und ich waren wie Brüder. Er hat mir immer alles erzählt, und in letzter Zeit hatte er viel zu erzählen.«
    »Inwiefern?«
    »Es ging um seine Kinder Philippe und Honorine.«
    »Hatten Sie Streit miteinander?«
    »Streit ist ein zu schwaches Wort dafür, nein, sie waren geradezu tödlich verfeindet.«
    Als ob er erst jetzt die schwerwiegende Bedeutung seiner Äußerung begriffe, schweigt der Bauer plötzlich, doch Kommissar Blanchard ermuntert ihn weiterzusprechen. »Machen Sie sich keine Gedanken, Monsieur Rosier. Sagen Sie mir ruhig alles. Es ist meine Aufgabe, die Wahrheit herauszufinden. Weshalb waren sie verfeindet?«
    »Nun, vor vier Jahren, kurz nach dem Tod seiner Frau, hatte Joséph beschlossen, sich von seinem Besitz zu trennen. Er verfügte eine Schenkung unter Lebenden, damit seine Kinder sich später nicht mit der Erbschaft herumschlagen müssen. Er schenkte Philippe und Honorine zu gleichen Teilen je zehn Hektar Land und fünfzig Kühe. Für sich selbst behielt er sich lediglich die Erträge aus der eigenen Weinproduktion vor und das Recht, das Haus hier am Dorfplatz weiter bewohnen zu können. Zum Ausgleich für all das mußten die Kinder für seinen Lebensunterhalt aufkommen.«
    Der alte Freund des Ermordeten schüttelt kummervoll den Kopf.
    »Dieses Arrangement bewährte sich leider nicht, was ich übrigens von Anfang an geahnt hatte. Joséph hatte seine guten Eigenschaften, aber er war auch ein ziemlicher Geizkragen. Seitdem beklagte er sich jedenfalls immer wieder: >Sie haben mir alles genommen, und jetzt geben sie mir kaum etwas zu essen.< Ich antwortete ihm, er habe es schließlich selbst so gewollt, aber das nützte nichts. Meiner Meinung nach bereute er es. Und als er dann auch noch feststellen mußte, daß sie ohne sein Wissen seine Weinberge abgeerntet hatten, war der große Krach natürlich da. Er konnte sich vor Zorn gar nicht mehr beruhigen, und er ist auch nicht mehr zum Essen zu seinen Kindern gegangen. Ausgerechnet er, der von allen Bauern im Dorf die größte Viehherde besessen hatte, mußte sich seine Milch jetzt selbst kaufen!« Fernand Rosier wirkt sehr niedergeschlagen, als er fortfährt: »Der arme Joséph! Von da an erkannte ich ihn kaum wieder! Ich versuchte, ihn zu beruhigen, aber da war nichts mehr zu machen. Er sagte: >Ich werde meinen Besitz zurückverlangen, und dann werde ich sie beide enterben. Ich hinterlasse alles den Armen, und die beiden werden vollkommen leer ausgehen!<«
    Kommissar Blanchard hat seinem Bericht äußerst gespannt gelauscht.
    »Waren das Ihrer Ansicht nach nur leere Drohungen, oder meinte er das ernst?«
    »Er meinte es vollkommen ernst, Herr Kommissar. Joséph hatte bereits mehrmals seinen Anwalt, Maitre Bernand, in Beauvais aufgesucht. Wenn Sie zu ihm gehen, wird er Ihnen das bestätigen.«
    Der Kommissar beeilt sich, dem Rat zu folgen, und kurz darauf sitzt er dem Anwalt in dessen Büro gegenüber. Maitre Bernand holt einen Aktenordner hervor und erklärt: »Genauso ist es, Herr Kommissar. Der Herr Pernel hatte ein Verfahren angestrengt, um die Schenkung unter Lebenden wegen groben Undanks zu widerrufen.«
    »Hätte dieses Verfahren Ihrer Meinung nach Erfolg gehabt?«
    »Meine Aufgabe bestand darin, der Sache zum Erfolg zu verhelfen, und ich denke, die Chancen standen nicht schlecht.«
    »Und angenommen, er

Weitere Kostenlose Bücher