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Nächte im Zirkus

Nächte im Zirkus

Titel: Nächte im Zirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Carter
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Sache selbst in die Hand nahm und mit dem Ventil des Wasserschlauchs in der Hand aus dem Käfig trat.
    Der Schock des aufprallenden Wasserstrahls fegte Buffo wieder in eine einheitliche Form zurück, fegte ihn von den Füßen, fegte ihn im letzten Salto seiner Karriere hoch in die Luft und drückte ihn dann platt auf den Rücken. Einige Augenblicke später - während sich die Menge die schmerzenden Seiten hielt und die tränenden Augen wischte - zog Samson, der Starke Mann, den zusammengesackten, durchnäßten, halb bewußtlosen, Schreckbilder halluzinierenden Buffo den Gang zum Foyer hinauf, und kleine Kinder gaben ihm kichernd einen letzten Schubs, der ihm Glück bringen sollte, ehe er vom Angesicht der Erde verschwand, und die Clowns rannten in den Kreisen der Bankreihen herum und herum und küßten Babys ab und verteilten Bonbons und lachten, lachten, lachten, um ihre gebrochenen Herzen zu verbergen.
    Der befrackte Doktor wartete in der Champagnerbar, begleitet von zwei strengblickenden mongolischen Riesen, die zwischen sich einladend geöffnet eine Zwangsjacke hielten. Als die Prinzessin in der Manege den Deckel ihres weißen Flügels öffnete und Mignon ihre spitzenbesetzten Röcke drapierte, führte man Buffo, der Obszönitäten vor sich hin plapperte, in eine wartende Kutsche - er verließ zum letzten Mal den Zirkus, auf einem Weg, den er nie zuvor gegangen war: durch den Vordereingang, wie Herren zu tun pflegen.
    Lebwohl, Alter. Aus dem Sarg deines Wahnsinns ist kein Entrinnen.
    Walser - bleich, zitternd und wieder einmal bis auf die Haut durchnäßt - entzog sich dem Tanz mit der Tigerin und suchte Zuflucht in Fevvers’ Garderobe, nur um zu entdecken, daß es hier intensiv nach Streit und Verstimmung roch. Lizzie war über irgendeine Nachricht nach Hause gebeugt und ließ die aerialiste selbst und ohne Hilfe ihr Kostüm anlegen. Fevvers gab Walser Cognac und ein Handtuch, freundlich genug, doch sie schnalzte nur beiläufig bedauernd mit der Zunge, als er die entsetzliche Geschichte von Buffos Abendmahl erzählte, und es war offensichtlich, daß etwas ganz anderes sie beschäftigte. Ihr rotseidenes Abendkleid pendelte hinter der Tür an seinem Bügel: anscheinend bereit, sie nach der Vorstellung zu geheimen Freuden zu begleiten. Das Plakat des französischen Zwerges - von den Reisen etwas eselsohrig - raschelte an der Wand wie als Erinnerung daran, wozu sie fähig war.
    Fiebrig erregt und irgendwie verboten aussehend saß sie im Morgenmantel vor dem Spiegel. An ihrem rechten Handgelenk saß ein großes Diamantarmband, und an ihren Ohren befestigte sie ein Paar Ohrringe, deren jeder einen Stein trug, daß der Kohinoor ins Blinzeln geraten könnte.
    »Gefällt Ihnen das?« sagte sie und ließ Lichtblitze in Walsers Richtung schießen. »Die besten Freunde eines Mädchens.«
    Lizzie prustete höhnisch auf und hätte etwas gesagt, wäre nicht in diesem Moment aus dem fernen Zuschauerraum ein solches Aufbrüllen leidenschaftlicher (aber nicht zu bestimmender) Emotion herübergedrungen, daß sie es sogar in ihrem kleinen Zimmer hoch über dem Hof hörten. So mußte ein römisches Publikum sich angehört haben, wenn ein Löwe einen Christen fraß.
    Dann das Krachen eines Schusses.
    Während das Orchester in angestrengte Musik ausbrach, kam von der Garderobentür ein wildes Hämmern und Klinkenrütteln.
    Es war der Colonel, der sich wie ein Ertrinkender an Sybil festhielt und wie an der Mutterbrust an dem schwarzen Stummel einer erloschenen Zigarre sog. Tränen standen in seinen rotgeäderten Augen. Wenn er Fevvers eine Weile aus dem Weg gegangen war, nach dem Debakel ihres Rendezvous’, so kam er jetzt, um sie flehentlich zu bitten.
    »Fevvers, meine Liebe, Sie kommen als Nächste! Können nicht auf die Pause warten. Unerwarteter Zwischenfall. Plötzliche Katastrophe -«
    Er brach zusammen und schluchzte wie ein Säugling. Fevvers erhob sich gelassen und betrachtete den Colonel über die majestätische Brüstung ihres Busens hinweg.
    »Jetzt aber«, sagte sie. »Seien Sie ein Mann und reißen Sie sich zusammen.«
    Vom Hof unten drang das Geräusch empor, wie ein schweres Gewicht über das Pflaster geschleift wurde, begleitet vom Schluchzen einer Frau. Am Fenster zusammengedrängt wurden sie im trüben Licht des Mondes Zeugen einer traurigen Prozession. Zuerst kam Samson, zum zweiten Mal in dieser Nacht wegen seiner Kräfte gerufen, und er zog an einem um seine Hüften geschlungenen Seil den Tigerleichnam von

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