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Nächte im Zirkus

Nächte im Zirkus

Titel: Nächte im Zirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Carter
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Marmor, Kristall; blasse Flure und endlose Spiegel und glitzernde Lüster, die im Zug von der Eingangstür her wie Windglöckchen klangen... und ein beinahe greifbares Gefühl von Kälte, von Sterilität, beinahe mit Händen faßbar in den harten, kühlen Oberflächen und leeren Räumen.
    Immer dasselbe! dachte Fevvers tadelnd. Geld ist an die Reichen bloß verschwendet. Sie selbst, wenn sie so krösusreich gewesen wäre wie ihr Gastgeber, sie hätte sich als Zuhause etwas wie den großen Pavillon in Brighton ausgesucht, etwas, das alle Vorübergehenden lächeln macht, ein Geschenk, das sich ständig an die zurückgibt, von denen der Reichtum stammt.
    Und umgekehrt - fuhr sie bei sich fort und bleckte beim Anblick des großherzoglichen Palastes verächtlich die Zähne - ist die Armut an die Armen verschwendet, die nie wissen, wie sie das Beste aus etwas machen können, die bloß Reiche ohne Geld sind, die ebensowenig auf sich selbst aufpassen können, ebensowenig mit dem Geld umgehen können wie die Reichen, die es ebenso wie jene an bunte, hübsche, nutzlose Sachen verschwenden.
    Ich will euch etwas über Fevvers mitteilen, wenn ihr es noch nicht selbst bemerkt haben solltet: Sie ist eine Frau, die zu philosophischen Reflexionen neigt.
    Da es das Geld ist, das uns reich oder arm macht, Herrgott, dann schaffen wir doch einfach das Geld ab, sagte sie manchmal zu Lizzie. Denn Geld ist am Ende nur ein symbolisches Hilfsmittel zur Erleichterung von Tauschvorgängen, die von Rechts wegen freiwillig oder überhaupt nicht stattfinden sollten.
    Aber Lizzie pfiff durch ihren Schnurrbart, voll Spott auf Fevvers’ Naivität, und antwortete: Der Bäcker kann keinen Brotlaib aus deiner Spalte backen, Süße, und was anderes könntest du ihm gar nicht anbieten für ein Stück Brot, wenn die Natur aus dir nicht die Art von Mirakel gemacht hätte, wofür die Leute gutes Geld bezahlen, um mal einen Blick draufzuwerfen. Du kannst dir deinen Unterhalt nur verdienen, wenn du dich zur Schau stellst. Dazu bist du verurteilt. Du mußt dem Auge was bieten, oder du bist zu gar nichts gut. Für dich ist es immer um einen symbolischen Tausch auf dem allgemeinen Markt gegangen - kannst ja nicht sagen, daß du je in der Produktion gearbeitet hättest, oder?
    Aber der hier hat auch noch nie gesät und geerntet, dachte Fevvers im Palast des Großherzogs. Und doch ist er so reich, daß Geld keine Bedeutung mehr für ihn besitzt. Die Summen, die er an mich buntes, hübsches, nutzloses Ding verschwenden will, haben mit meinem Wert als solchem überhaupt nichts zu tun. Wenn alle Frauen auf der Welt Flügel hätten, dann würde er seine Juwelen behalten und auf dem Eis der Newa damit Murmeln spielen. Mein Wert für ihn ist der einer rara avis.
    In seinen Marmorhallen lächelte sie wie ein Raubvogel. Hier kommt die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums e. V., um dir deine Diamanten abzunehmen, Großherzog!
    Sie stolzierte eine in weitem Wurf ansteigende Marmortreppe hinauf, der Großherzog aufmerksam hinter ihr, den Blick unverwandt auf die pulsierenden Hügel unterhalb ihrer Schultern gerichtet, und während des Anstiegs schätzte sie den Preis der Kerzenhalter, der Spiegel, der orientalischen Vasen - selbst der Treibhausblumen darin. Sie drang vor wie ein Auktionator, und mit jedem Schritt fügte sie dem Preis eine weitere Summe hinzu, den sie schon für die Unterhaltung, welche er von ihr erwarten mochte, zu fordern entschlossen war.
    Sein Arbeitszimmer war etwas besinnlicher, ein hoher ovaler Raum, um den eine im Schatten liegende Galerie lief. Büsten von Dante, Shakespeare und Puschkin schauten auf einen Tisch herab, der für ein intimes Abendessen gedeckt war. Kleine Gläser für den Wodka, Kelche für den Champagner und in der Mitte etwas, das sie unwillkürlich erstaunt aufseufzen ließ: Sie selbst aus Eis. Lebensgroß! Die Flügel weit gebreitet, ein unsichtbares Publikum grüßend und lächelnd, ein kaltes Meisterwerk, das zu einer Eispfütze geworden sein würde, wenn die Morgendämmerung sie über die Taiga rattern sähe - wie es auch geschehen würde; sie wiederholte sich ihr eigenes Versprechen.
    Die Eisskulptur stand mit den Zehenspitzen eines Fußes im Kies schwarzen Kaviars, und um ihren Hals loderten die tausend und abertausend regenbogenglänzenden Facetten der herrlichsten parure, die sie je gesehen hatte. Ach, die feurigen Steine! Es juckte sie in den Fingern, die Kette zu holen. Aber sie konnte ja kaum aus ihrem Mieder

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