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Nächte im Zirkus

Nächte im Zirkus

Titel: Nächte im Zirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Carter
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sie aus ihrem Stuhl in die Höhe und schüttel sie tüchtig durch. Sie ist leicht wie ein Reisigbündel und klappert ein wenig. Wie sie kreischt und: ›Hände weg!‹ schreit. Aber ich schüttel sie immer weiter, bis sie schließlich keucht: ›Nun gut - hundert Guineen.‹
    ›Wer’s glaubt!‹ denk ich mir, denn auch das glaub ich nicht einen Moment, und ich sage: ›Verehrte verdammte Madame Schreck, Sie werden keinen einzigen Penny Vermittlungsgebühr kassieren, da Sie mir seit den fünf Glänzemännchen vor einem halben Jahr nichts bezahlt haben und mich hier gefangen gehalten haben!‹
    Und wieder hab ich sie geschüttelt, bis sie quiekt: ›Also gut, keine Gebühr! Das macht zweihundert Guineen, du Blutsaugerin.‹ Dann laß ich sie los.
    ›Machen Sie den Safe auf‹, befehle ich.
    Sie geht zum Bett und wühlt unter dem Kissen den Schlüssel hervor. Sehr zögerlich macht sie das. Sie schlurft rasch über den Boden in ihren schwarzen Fetzen und ihrem Schleier, bewegt sich schräg, mit den Füßen scharrend, und ihr Kopf geht von einer Seite zur anderen, als suche sie ein Rattenloch, in das sie fahren könnte, aber jetzt bin ich der Racheengel, und sie kann mir nicht entkommen. Während sie mir den Rücken dreht, ergreife ich die Gelegenheit: Ich streife meine Bluse ab und schüttle mein Gefieder hervor. Sie öffnet den Safe, schiebt ihre behandschuhte Hand hinein, doch gerade als ihre zitternden Finger das Gold berühren, packe ich sie wieder bei den Schultern, und - hinauf! Hinauf! Gott sei für hohe Zimmerdecken gedankt! Hinauf, bis mein Kopf gegen den Stuck stößt, und ich hab das alte Mädchen am Kragen an das Ende der Gardinenstange gehängt und hab sie dort hängen lassen, fuchtelnd und hampelnd und strampelnd, und die kleinen Arme und Beine zucken durch die Luft, und sie kann gar nichts machen.
    ›Jetzt kann ich aus einer Position der Stärke heraus verhandeln‹, sage ich. »Wieviel hat er wirklich geboten?‹
    ›Tausend! Laß mich runter!‹ Und sie quietscht und quiekt.
    ›Wieviel hat er im voraus bezahlt?‹ frage ich, denn ich bin ein ehrliches Mädchen.
    ›Die Hälfte im voraus! Laß mich runter!‹ Aber ich fliege allein hinab und fahre mit beiden Händen in den Safe, mit der Absicht, mir nur das zu nehmen, was mir rechtens zusteht, und ihre Gebühr dazu - aber als ich auf ihrem Bett saß und die glänzenden Goldstücke abzählte, da ertönt von der Tür her ein gigantisches Klopfen. Wer da auch klopft, er hat den schwarzen Krepp abgerissen, um seinem Begehr Nachdruck zu verleihen: Noch nie hat man so einen Höllenlärm gehört.
    Das Gold hielt mich in der Falle fest, denn ich konnte es nicht über mich bringen, den gehäuften, glitzernden Schatz von mir zu werfen und zu fliehen, selbst als ich krachende Schritte auf der Treppe hörte. Toussaint kommt hereingerannt, bleich unter der Schwärze seiner Haut, macht die wildesten Gesten mit den Händen, und ihm auf dem Fuß folgen zwei große breite Lümmel, denen das Ende am Galgen im Gesicht geschrieben steht, in langen Gewändern, Sandalen und Umhängen, wie für eine komische Oper kostümiert, und zwischen sich tragen sie ein Fischernetz.
    Ich breite sofort meine Flügel aus, aber wohin soll ich fliegen? Die Fenster sind alle zugenagelt... zur Decke hoch, und dort die ganze Nacht lang flattern? Mich meiner alten Madame am anderen Ende der Gardinenstange anschließen und dort mit ihr hängen wie ein Paar Wasserspeier? Ich wußte mir nicht zu helfen, und als ich umherflügelte wie der eingesperrte Vogel, der ich war, hatten mich diese Grobiane im Nu gefangen, das Netz eingeholt und schleiften mich die Treppe hinab, daß mir bei jeder Stufe der Hintern anschlug. Zurück blieben ein aufklaffender Safe, ein Haufen Geld, ein völlig verwirrter Bedienter und die alte Fledermaus, die hoch droben, halbwegs zum Himmel, baumelte, und weiter wird sie auch nie kommen, Fluch ihrer Seele.
    Die Haustür knallte hinter dem um sich schlagenden Bündel aus Furcht und Federn ins Schloß, das ich nun war, ich werde in eine Kutsche gehoben, und in wirbelnder Fahrt geht es davon in die Nacht.
    Ich fordere Auskunft von diesen Herren: Wohin bringt ihr mich? Aber beide sitzen still wie die Statuen mit verschränkten Armen da, starren geradeaus vor sich hin und sagen kein einziges Wort. Die Vorhänge sind zugezogen, die Pferde galoppieren dahin wie die wilde Jagd. Und ich finde mich mit dem Zufallsschicksal ab, Sir, da mir nichts anderes übrig bleibt.«

V
    »Meiner

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