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Nächte in Babylon

Nächte in Babylon

Titel: Nächte in Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Depp
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darüber«, sagte Pam. »Wir wollen doch zu einer gütlichen Einigung kommen.«
    »Es ist wirklich bloß eine Schramme. Meine eigene Schuld. Ich hätte sie eben nicht reizen dürfen.«
    »Worauf Sie einen lassen können«, bekräftigte Anna.
    »Nehmen Sie erst mal Platz«, sagte Pam zu Spandau. »Die Wunde muss versorgt werden. Ich hole Ihnen ein Pflaster.«
    Sie ging hinaus. Das Pflaster war nur ein Vorwand. Spandau war klar, dass sie, bevor sie das Medizinschränkchen ansteuerte, als Erstes ihren Anwalt anrufen würde. Einen Augenblick lang spielte er mit dem Gedanken, sich einfach aus dem Staub zu machen, aber er wusste selbst, dass er Bockmist gebaut hatte, und wollte versuchen, seinen Fehler irgendwie wieder auszubügeln.
    »Ich möchte mich entschuldigen«, sagte er zu Anna.
    »Was für ein Teufel hat Sie denn da eben geritten?«
    »Ich wollte Ihnen die Augen öffnen. Aber nur weil ich es gut mit Ihnen meine. Trotzdem war es unprofessionell. Ich hab’s vermasselt. Es tut mir aufrichtig leid.«
    »Das ging echt unter die Gürtellinie«, sagte sie.
    »Ja, das merkt man.«
    »Meinen Sie vielleicht, ich mache mir über solche Sachen nicht auch meine Gedanken? Sie haben recht, keine Frage. Wir verwischen bewusst die Grenzen – und verdienen uns eine goldene Nase damit. Aber wir treiben diese Leute trotzdem nicht in den Wahnsinn. Die meisten stecken es weg, ohne dass sie verrückt werden. Und für die paar, die damit nicht klarkommen, weil sie sowieso schon am Rad drehen, sind wir nicht verantwortlich. Sie verstehen, worauf ich hinauswill?«
    »Ja.«
    »Ach, Mist«, knurrte Anna. »Manchmal kenne ich den Unterschied selber nicht mehr.«
    »Geht mir genauso«, gab er zu.
    Sie lachte. »Sagen Sie mal, sind Ihnen vorhin bloß die Pferde durchgegangen, oder haben Sie das öfter?«
    »Immer öfter. Leider.«
    »Sie kriegen da ein richtig schönes Horn auf der Stirn.«
    »Es gibt Schlimmeres.«
    »Sie verklagen mich doch nicht, oder?«
    »Nein.«
    »Gleich wird bestimmt mein Anwalt ein Wörtchen mit Ihnen reden wollen.«
    »Damit habe ich schon gerechnet.«
    »Mit Ihrer Beule könnten Sie sich gesundstoßen. Zwanzig Riesen müssten mindestens für Sie drin sein. So viel hat es uns beim letzten Mal gekostet. Wenn der Anwalt Ihnen fünf anbietet, brauchen Sie bloß zu sagen, dass Ihnen schwindelig ist.«
    »Sie wissen genauso gut wie ich, dass ich noch sehr viel mehr rausschlagen könnte.«
    »Soll alles schon vorgekommen sein.«
    »Sie brauchen Schutz«, sagte Spandau. »Der Kerl hat ein Messer oder eine Rasierklinge, und er ist buchstäblich bis auf Tuchfühlung an Sie rangekommen. Sie können nicht einfach so tun, als wäre nichts passiert.«
    »Und was heißt das genau? Dass Sie mich nicht verklagen, wenn ich Sie engagiere?«
    »Nein«, antwortete Spandau. »Sie brauchen jemanden, der Sie beschützt. Aber dafür bin ich nicht der Richtige. Ich frage meinen Boss. Er kann Ihnen jemand anderen empfehlen.«
    »Jetzt steige ich überhaupt nicht mehr durch«, sagte sie. »Geht es nicht vielleicht doch noch ein kleines bisschen genauer?«
    »Sie hätten es gern kurz und knackig? Okay. Sie brauchen Hilfe. Aber nicht von mir.«
    »Weil Sie sauer auf mich sind? Es tut mir echt leid, dass ich Ihnen die Bürste an den Kopf geschmissen habe.«
    »Das hat damit nichts zu tun. Und es ist auch nichts Persönliches.«
    Er tupfte mit einem weißen Taschentuch an der Wunde herum. Wie er so dasaß mit seinen zerzausten dunklen Haaren, den großen dunklen Augen und dem dünnen Faden Blut, der an seiner rechten Augenbraue vorbeisickerte, sah er aus wie ein kleiner Junge, der vor dem Büro des Schuldirektors auf seine Strafe wartet. Sofort regte sich in Anna ein überwältigender Beschützerinstinkt, und sie hätte ihn gern getröstet. Bis ihr wieder einfiel, in was für Situationen sie sich wegen ebendieser Anwandlung schon hineingeritten hatte. Es war nicht nur so, dass sie ohnehin eine Schwäche für Männer hatte, die vom Leben gezeichnet waren, es tat ihr einfach gut, wenn solche Kerle von ihrem hohen Ross herunterkommen und sich zu ihren Schrammen und Macken bekennen mussten. Und irgendwie rührend war es auch.
    »Ach, Herzchen«, sagte sie. »Den Blick kenne ich.«
    Pam kam mit dem Erste-Hilfe-Kasten wieder zurück. »Mr. Spandau, wenn Sie nichts dagegen hätten …«
    »Richten Sie Ihrem Anwalt aus, mir wäre so schwindelig, dass ich nicht ans Telefon kommen kann«, unterbrach er sie und stand auf.
    »Wir müssen darüber reden.«

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