Nächte in Babylon
einen Fehler begangen? Haben Sie noch nie etwas gemacht, was Ihnen später leid getan hat?«
»Doch, natürlich. Es kommt im Leben oft anders, als man denkt. Aber ich behaupte hinterher nicht, ich hätte nicht gewusst, was ich tat, nur weil ich die Folgen nicht vorhergesehen habe.«
»Sie sind nicht zufälligerweise Jesuit, Mr. Spandau?«
»Nein, Ma’am. Aber ich bin schon sehr lange in Hollywood.«
»Unter meinesgleichen, wollen Sie sagen?«
»Kinder.« Pam versuchte zu vermitteln. »Nun vertragt euch wieder.«
»Sie können mich mal, Mr. Spandau, Sie mit Ihrer Zehn-Cent-Moral. Genau deswegen bin ich damals aus Texas abgehauen, damit ich mir so was nicht mehr anhören muss. Und jetzt soll ich mir den gleichen Scheiß von einem bornierten Hinterwälder wie Ihnen gefallen lassen?«
»Vielleicht möchte Mr. Spandau sich entschuldigen …«
»Nein«, sagte Spandau. »Möchte er nicht. Mr. Spandau möchte Klartext reden. Bei Ihrer Arbeit geht es darum, die Menschen in eine Fantasiewelt herüberzulocken, die Sie erschaffen haben. Und manchmal verliert sich eben jemand darin und findet den Weg zurück nicht mehr.«
»Worauf wollen Sie hinaus? Dass wir bei jedem Film Angst haben müssen, dass ihn unter Millionen von Kinogängern ein Spinner in den falschen Hals kriegt? Ich habe diesen Typen nicht in den Wahnsinn getrieben. Er ist wahnsinnig, weil er zwischen Fantasie und Wirklichkeit nicht unterscheiden kann. Ich habe ihm das nicht angetan. Er war schon irre, als er das Kino betreten hat, Mr. Spandau. Der ist nicht erst vor der Leinwand durchgedreht.«
»Machen Sie es sich damit nicht ein bisschen zu leicht? Schließlich haben Sie zig Leute um sich herum, die nur dazu da sind, die Illusion in die reale Welt hinüberzutragen. Es endet doch nicht auf der Leinwand. Sie gehen in Talkshows, Sie treten bei öffentlichen Galas auf, Sie schreiten bei der Oscar-Verleihung den roten Teppich ab, Sie geben Zeitungsinterviews. Damit stoßen Sie die Leute doch nur noch tiefer in diese Scheinwelt hinein. Sie sagen, die Illusion endet auf der Leinwand? Dabei werfen Sie Ihrem PR -Agenten gutes Geld dafür in den Rachen, dass er genau das verhindert. Und wenn Sie mal einen Fehler machen? Sie zücken die Brieftasche, und dann ab damit unter den nächsten Teppich. Aber Sie sind diejenige, die die Fantasie aus dem Kino herausholt und die Grenze zwischen Illusion und Realität verwischt.«
»Mr. Spandau«, sagte Anna, »Sie können mich kreuzweise. Pam, lass den Mistkerl bitte über den Zaun schmeißen.« – und stürmte davon.
»Haben Sie eigentlich noch alle Tassen im Schrank?«, fuhr Pam Spandau an.
»Das habe ich mich auch schon des Öfteren gefragt.«
»Genial gemacht«, sagte sie. »Wie soll ich denn meine Schwester beschützen, wenn Sie mir solche Knüppel zwischen die Beine werfen?«
»Sie will den Tatsachen nicht ins Auge sehen«, sagte Spandau.
»Zeigen Sie mir auch nur einen Schauspieler, der den Tatsachen ins Auge sieht, Mr. Spandau. Das bringt der Beruf mit sich. Herzlichen Dank. Sie waren mir eine große Hilfe.«
Sie hatten das Haus gerade wieder betreten, als Anna, die sich in der Zwischenzeit einen Bademantel übergeworfen hatte, mit einer Haarbürste in der Hand auf sie zugestürmt kam. Wutentbrannt holte sie zum Wurf aus und traf Spandau mit der Bürste voll an der Stirn.
»Sie mieses Schwein, Sie. Was bilden Sie sich eigentlich ein?!«
Sie wollte auf ihn losgehen, aber Pam drängte sie zur Seite. »Reg dich wieder ab. Er geht ja schon.«
»Am liebsten würde ich Ihnen die Augen ausstechen!«
»Beruhige dich, Anna.«
»Ich? Mich beruhigen? Dieser Mistkerl!«
Spandau fasste sich an die Stirn. Sie blutete.
»Anna, du setzt dich jetzt hin. Und zwar sofort.«
Sie ließ sich tatsächlich auf ein Sofa sinken.
»Ist es schlimm?«, wollte Pam von Spandau wissen.
»Nicht der Rede wert.«
»Sie können mich ja verklagen«, sagte Anna. »Falls Sie sich trauen, Sie Großmaul.«
»Mach es bitte nicht noch schlimmer, Anna.«
»Es ist bloß ein Kratzer«, antwortete Spandau. »Hier wird keiner verklagt.«
»Wie gnädig. Aber darauf kann ich dankend verzichten«, sagte Anna.
»Jetzt halt endlich die Klappe, Anna. Im Ernst.« Pam sah sich die Wunde genauer an. »Es hat Sie ziemlich böse erwischt. Soll ich einen Arzt rufen?«
»Nicht nötig«, antwortete Spandau. »Wenn Sie unbedingt wollen, kann ich Ihnen das auch schriftlich geben.«
»Am besten atmen wir jetzt alle schön tief durch und reden in Ruhe
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