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Nächte in Babylon

Nächte in Babylon

Titel: Nächte in Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Depp
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In ihrer Stimme schwang ein Hauch von Panik mit. »Ich bin mir sicher, wir können uns irgendwie einigen …«
    »Lass ihn gehen«, sagte Anna.
    »Anna, ich bitte dich.«
    »Lass den armen Kerl einfach gehen.« Sie verabschiedete ihn mit einem leisen Lächeln.
    Nachdem er gegangen war, starrte sie eine Zeit lang versonnen auf ihre nackten Zehen.
    »Du musst mit Michael sprechen«, sagte Pam schließlich.
    »Der kann mir mal im Mondschein begegnen.«
    »Michael sagt, er hat dich provoziert. Wenn er dich vor Gericht zerrt, können wir eine Gegenklage einreichen und ihn ruinieren.«
    »Der verklagt mich nicht.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Schätzchen, der verklagt mich im Leben nicht. Denk doch mal dran, wo wir herkommen. Wir sind unter solchen Männern aufgewachsen. Unser Vater war aus demselben Holz geschnitzt. Nein, so was würde dem im Traum nicht einfallen.«
    »Es tut mir leid«, sagte Pam. »Man hatte ihn mir empfohlen. Ich wollte nur helfen.«
    »Hast du seine Augen gesehen?«, fragte Anna.
    »Wir finden jemand anderen.«
    »Nein«, sagte Anna. »Ich will ihn oder keinen.«
    »Spinnst du? Erst hat er dich übelst beleidigt, und dann hast du ihn mit deiner Bürste halb umgebracht.«
    »Ein interessanter Auftakt«, sagte Anna. »Und ich hab da so ein Gefühl …«
    »Bist du dir sicher?«
    »Ach was, sicher bin ich mir nie. Das macht es ja gerade so spannend.«
    Anna stand auf. Vor sich hin summend ging sie nach oben und ließ Pam mit ihren Reflexionen über Anwälte, Klagen und die Unwägbarkeiten des menschlichen Herzens allein zurück.

6
    Bis zur Detektei Coren und Partner war es nur ein Katzensprung den Sunset hinunter. Als Partner standen Spandau ein geleaster BMW , kein eigenes Büro und keine eigene Sekretärin zu. Außerdem musste er sich behandeln lassen wie ein russischer Leibeigener. Als er die Agentur betrat, saß Pookie am Empfang, gestylt wie noch nie.
    »Ist er da?«, fragte er.
    »Nein«, blaffte sie. »Was ist denn mit dir passiert?«
    »Die haben die Ampel an der Ecke Sunset und Sweetzer abgesenkt.«
    Pookie strapazierte das Motto »die ganze Welt ist eine Bühne« bis an die Grenzen der Belastbarkeit. Für sie war jeder Tag die Chance, in eine neue Rolle zu schlüpfen, welche zwangsläufig auch ein neues Outfit verlangte. Heute trug sie ein rotes Kleid mit weißen Punkten, eine Blondhaarperücke, Stöckelschuhe und echte Seidenstrümpfe mit einer erotischen Ziernaht. Die Lippen hatte sie rot geschminkt. Marilyn Monroe. Nicht gesellschaftsfähig ? Das Dekolleté war so tief ausgeschnitten, dass Männerblicke darin wie in einem schwarzen Loch versanken. In der vergangenen Woche war sie Audrey Hepburn in Ein süßer Fratz gewesen, ein knabenhaftes Geschöpf im schwarzen Rollkragenpullover. Spandau wollte lieber gar nicht erst daran denken, was für eine Hebevorrichtung man wohl für einen solchen Umbau des Vorbaus benötigte.
    Pookie war hübsch und klug genug, um sich solche Verwandlungen fast immer erlauben zu können. Nur ein einziges Mal hatte Walter sie morgens wieder nach Hause geschickt: als sie sich als Yam-Yam aus dem Mikado verkleidet hatte. Und selbst da lag es weniger an ihrem Kostüm als an der Tatsache, dass sie immer, wenn er ins Zimmer kam, »Sieh da, der große Oberhenkersmann« schmetterte. Wenn man einen mordsmäßigen Kater hat, steht einem nicht unbedingt der Sinn nach Operettenmelodien.
    »Weißt du, wo er steckt?«
    »Ich vermute mal stark, er hockt gerade vor seinem vierten Martini.«
    »Verdammt, Pook. Geht er denn nicht mehr zu den Anonymen Alkoholikern? Ich dachte, er wäre trocken.«
    »Er war ganze zwei Mal bei so einem Treffen, und dann hat er gesagt, so eine Trinkerselbsthilfegruppe wäre der beste Grund fürs Saufen, der ihm je untergekommen ist.«
    »Wie war er drauf?«
    » Deep into the Mean Reds , wie Miss Golightly zu sagen pflegte. Oder mit anderen Worten: Er ist fertig mit der Welt. Er hat irgendwas gebrabbelt, dass er kleinen Hunden den Kopf abbeißen will, falls dir das was sagt. Und zu allem Überfluss hat er auch noch eine Klientin versetzt. Sie hat fast eine Stunde auf ihn gewartet, aber er hat sich nicht blicken lassen.«
    »Mal sehen, ob ich ihn irgendwo finden kann. Ruf mich an, wenn er aufkreuzt, ja?«
    »Ich glaube, so schlimm war’s noch nie. Er ist völlig von der Rolle.«
    »Hat ihn die Rothaarige gelinkt?«
    »Von vorne bis hinten. In Reno. Sie hat mit einem Croupier gevögelt, während Walter unten im Casino Blackjack gespielt

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