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Nächte in Babylon

Nächte in Babylon

Titel: Nächte in Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Depp
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versuchte hatte, seinen Croupier zu erwürgen. Sie haben mich äußerst galant vor die Tür gesetzt. Francine durfte das Zimmer behalten.«
    Frank brachte Spandau seinen Drink.
    »Einen Trinkspruch«, sagte Walter. »Komm, Pancho, ich spendier dir was.«
    »Du weißt doch, dass ich nicht trinke. Höchstens Apfelsaft. Worauf stoßen wir an?«
    »Auf die Frauen.«
    »Wozu das denn?«, fragte Frank. »Du, mit deiner Erfolgsbilanz?«
    »Nur Geduld, Freunde. Von heute an gelobe ich Abstinenz. Ich entsage. Was zu viel ist, ist zu viel.«
    »Und wem entsagst du? Den Weibern oder dem Schnaps?«
    »Den Weibern natürlich. Im Saufen bin ich wenigstens keine Niete.«
    Frank goss sich einen Apfelsaft ein, und sie erhoben die Gläser.
    »Auf die Frauen«, sagte Walter. »Der Teufel möge sie holen.«
    Sie stießen an. Walter sagte: »Noch eine Runde, wenn ich bitten darf, Maestro.«
    »Du hast genug intus«, sagte Frank.
    »Also wirklich. Du weißt doch ganz genau, dass ich mir heute Abend die Kante geben werde. Wenn ich in einer anderen Kneipe weitertrinken muss, bleibt womöglich irgendjemand auf der Strecke. Es ist für alle Beteiligten wesentlich sicherer, wenn ich mich hier unter Freunden besaufe. David kann mich nach Hause fahren. Das ist doch ein vernünftiger Vorschlag, findest du nicht?«
    »Wenn man dir beim Denken zuhört, kriegt man Kopfschmerzen.« Frank sah Spandau an. »Übernimmst du die Verantwortung für ihn?«
    »Ich vermute mal, anders kriegen wir ihn überhaupt nicht mehr ins Bett.«
    »Ach, was soll’s«, sagte Frank. »Her mit den Autoschlüsseln. Deine auch, David.«
    »Wieso meine?«
    »Weil ich genau weiß, wohin das führt. Ich hab es oft genug erlebt.«
    Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als ihm ihre Autoschlüssel in die Hand zu drücken.
    Frank behielt natürlich recht. Es dauerte nicht lange, und sie waren beide betrunken. Obwohl sie die Gläser im selben Tempo leerten, war bei Walter, nachdem Spandau ihn auf seinem Level eingeholt hatte, kein Anstieg des Alkoholpegels mehr zu bemerken. So trank er immer: bis hart an die Grenze der Besinnungslosigkeit, aber kaum je darüber hinaus, auch wenn das noch lange nicht bedeutete, dass er deshalb nicht mehr weiterbecherte. Er bemerkte gern und oft, dass es sinnlos sei, sich einen anzusaufen, wenn man davon überhaupt nichts mehr mitkriege.
    Spandau trank, bis er erst lustig und dann wieder traurig wurde. Dann bekam er einen Moralischen, und ihm graute vor dem nächsten Morgen.
    »Sind wir fertig?«, fragte er schließlich.
    »Atme ich noch?«, fragte Walter zurück.
    »Sieht so aus.«
    »Also sind wir noch nicht fertig.«
    »Dann muss ich mal pinkeln gehen«, sagte Spandau und stand schwankend auf. Vor der Toilettentür drehte er sich noch einmal um: »Fehlt sie dir?«
    »Welche?«
    »Francine. Die Tussi, die dich gerade abserviert hat.«
    »Na klar. Na sicher. Scheiße, sie fehlen mir alle. Das ist ja gerade das Schlimme.«
    Spandau nickte verständnisinnig, als ob Walter ihm die Antwort auf eine philosophische Frage geliefert hätte, mit der sie sich schon den ganzen Abend herumgequält hatten. Er torkelte aufs Klo und starrte beim Pinkeln auf eine Muschi, die jemand – von anatomischen Fachkenntnissen unbeleckt, aber dafür mit umso größerem Eifer – über dem Urinal an die Wand gemalt hatte. Der Titel des Kunstwerks – »Rebecca die Fotze« – ging Spandau in seiner Prägnanz durch Mark und Bein. Während er sich die Hände wusch, wurde er plötzlich von einer tiefen Trauer ergriffen und von der Angst, in einen Strudel der Einsamkeit hinabgerissen zu werden, dem er nicht mehr würde entfliehen können. Er wühlte sein Handy heraus und wählte – ihre Nummer. Was sonst?
    »Hallo?«, meldete sich Dee. »David?«
    Er wollte etwas sagen, aber er konnte es nicht, obwohl er so viel auf dem Herzen hatte. Zu viel. Seine Gedanken purzelten durcheinander wie Katzen, die gleichzeitig zur Tür hinauswollten. Er wusste, dass sein Anruf sinnlos war und seiner Sache sogar schaden würde, aber wenn er nicht untergehen wollte, musste er auf der Stelle, in diesem Augenblick, eine Verbindung zu ihr herstellen, ganz egal wie brüchig. Stumm und sprachlos stand er da, als ob die Telefonverbindung eine dünne Rettungsleine wäre, die jede Sekunde zerschnitten werden könnte. Wenn er sie bloß festhalten könnte, nur so lange, bis irgendetwas geschah, ein Wunder vielleicht, und sie zu ihm zurückkehren würde.
    »David?«
    »Ich wollte dich anrufen«, sagte

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