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Nächte in Babylon

Nächte in Babylon

Titel: Nächte in Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Depp
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nicht.«
    »Bruce, halte dich links, aber am Rand bleiben, am Rand bleiben!«
    Plötzlich stand Mel vor ihm.
    »Scheiße!« Mel machte ein zerknirschtes Gesicht. Zusammen pflügten sie sich quer durch das Gedränge, immer hinter dem Kopf des Verdächtigen her.
    »Ich sehe ihn!«, rief Bruce. »Er ist gleich draußen!«
    »Komm ihm nicht zu nahe«, sagte Spandau. »Hörst du? Du bleibst mit ihm auf einer Höhe. Wir sind gleich bei dir. Wenn er rauskommt, hängst du dich an ihn dran, sonst nichts. Versuch nicht, ihn aufzuhalten. Verstanden? Bruce? Hast du verstanden? Bruce, verdammt noch mal …«
    Schulter an Schulter bahnten sich die beiden kräftigen Männer ohne Rücksicht auf Verluste einen Weg durch die ahnungslose Menschenwand. Noch ein letzter Stoß, und es war geschafft. Sie standen auf der Straße. Bruce kniete neben dem Bordstein, die Hände vor dem Gesicht. Das Blut strömte ihm durch die Finger. Aus den Augenwinkeln ein Blick auf eine Gestalt, die sich blitzschnell zurück in die Menge duckte.
    »Mel, du bleibst bei ihm«, befahl Spandau und nahm die Verfolgung auf. Der Mann huschte Haken schlagend davon, doch so leicht ließ Spandau sich nicht abschütteln. Den Blick fest auf seinen Hinterkopf geheftet, setzte er hinter ihm her. Ein letztes Mal die Richtung wechselnd, brach der Verdächtige schließlich aus der Deckung der Massen hervor und rannte den Bürgersteig hinunter. Als Spandau ihn fast eingeholt hatte, drehte er plötzlich ab und verschwand in einem mexikanischen Restaurant. Unter den entgeisterten Blicken von Gästen und Personal verfolgte Spandau ihn bis zur Küche.
    Er drückte die schwere Tür auf. Der kleine Mann in der schwarzen Nascar-Jacke hielt einem Küchenjungen ein Rasiermesser an die Kehle. Daneben ein älterer mexikanischer Koch, vor Entsetzen zur Salzsäule erstarrt. Mit panisch verzerrtem Gesicht sah der Mann Spandau über die Schulter des Jungen hinweg an und schob sich mit seiner Geisel langsam auf die Hintertür zu. Noch ein, zwei Schritte, und er wäre draußen in der Gasse, in Sicherheit. Nachdem uns der Überlebensinstinkt diktiert, immer als Erstes unsere eigene Haut zu retten, rechnete Spandau sich aus, dass der andere, wenn er sich bedroht fühlte, nicht dem Jungen die Kehle durchschneiden, sondern ihn loslassen und durch die offene Tür ins Freie stürzen würde. Spandau machte einen Schritt auf ihn zu.
    Im selben Moment holte der Koch mit einer fettigen, drei Pfund schweren gusseisernen Bratpfanne aus und traf Spandau voll am Hinterkopf. Der sah nur noch ein Feuerwerk aufblitzen und kippte vornüber. Sekunden später kam er zu Füßen des Jungen wieder zu sich, mit der Backe an einer Kachel klebend, den ranzigen Geruch nach Wischwasser in der Nase, über sich das Gesicht des Kochs, der sich zu ihm runterbeugte.
    »Er ist mein Sohn«, sagte der Mexikaner entschuldigend. Spandau lächelte und dachte: Er meint den Küchenjungen. Dann wurde ihm furchtbar schwindelig, und er verabschiedete sich ins Land der Träume.

15
    »Sie haben eine Gehirnerschütterung«, sagte Lieutenant Louis Ramirez vom LAPD . Der Polizist machte ein mitfühlendes Gesicht, aber keinerlei Anstalten, einen Arzt zu rufen oder Spandau, der sich in der Toilette des mexikanischen Restaurants die Seele aus dem Leib kotzte, auch nur ein Papierhandtuch zu reichen. »Eindeutig.«
    Wenn Spandau ein Schrank war, war Ramirez ein Panzerschrank. Ein Meter neunzig Muskelmasse und Weltschmerz. Er trug die dunklen Haare so kurz geschoren, dass man die zehn Zentimeter lange Narbe sehen konnte, die ihm ein zugedröhnter Latino mit einer abgebrochenen Muskatellerflasche verpasst hatte.
    »Ist das Ihre fachmännische Meinung?«, fragte Spandau, als er zwischen zwei Würgeattacken zum Luftholen kam. »Oder bloß geraten?«
    »Ich hab früher geboxt, aber ich hatte leider ein Glaskinn. Deshalb kenne ich die Symptome. Wollen Sie nicht mal abziehen?«, fügte er mit angewiderter Miene hinzu.
    Spandau betätigte die Klospülung. Er ließ sich so leicht von keinem den Schneid abkaufen, aber vor Ramirez, den er jetzt seit einigen Jahren kannte, hatte er Respekt. Er war klüger und gebildeter, als er sich gab, aber er hatte auch einen Hang zur Gewalt. In seiner Nähe hatte Spandau immer das Gefühl, auf einer Wippe zu balancieren. Die kleinste falsche Bewegung, und die Stimmung konnte kippen.
    »Falls Sie eine Gehirnblutung kriegen wollen«, sagte Ramirez, »wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie damit noch warten könnten, bis wir

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