Nächte in Babylon
unser Gespräch beendet haben und ich Sie aufs Revier habe schaffen lassen. Da können Sie von mir aus krepieren, so viel Sie lustig sind.«
»Wieso aufs Revier? Was hab ich denn verbrochen?«, fragte Spandau. Er spülte sich über dem Waschbecken den Mund aus.
»Tja, was weiß ich?«, sagte Ramirez. »Gefährdung der Öffentlichkeit? Nichthinzuziehung der Polizei im Zuge der Begehung eines Verbrechens? Ist das ein Straftatbestand? Ist das überhaupt ein Ausdruck? Ich glaube schon. Doch, bestimmt. Auf jeden Fall klingt es gut. Von mir aus auch wegen Geschwindigkeitsübertretung. Oder weil Sie zu Fuß bei Rot über die Ampel gegangen sind. Ist mir schnuppe. Wie viele Leute hätten Sie heute fast ins Jenseits befördert? Wollen wir mal zählen?«
»Ich bin so unschuldig wie …« Spandaus Gehirn versagte ihm den Dienst. Es tat nur noch weh.
»Wie ein neugeborenes Lämmchen?«, beendete Ramirez den Satz für ihn. »Verraten Sie mir, warum Sie diesen Kerl am helllichten Tag mitten durch ein mexikanisches Restaurant gejagt haben?«
»Wir haben ihn unter den Zuschauern entdeckt. Er hatte ein Rasiermesser. Ich bin hinter ihm her.«
»Sie glauben, er hatte es auf Ihre Klientin abgesehen?«
»Ausgeschlossen wäre es nicht. Was meinen Sie?«
»Ach, Gottchen«, sagte Ramirez. »Sie wollen meine Meinung hören? Ich denke, Sie haben ihn gesucht, und Sie haben ihn gefunden. Ich halte es auch für eine grandiose Idee, der Polizei Bescheid zu geben, dass irgendwelche rasiermesserschwingenden Irren frei in der Gegend herumlaufen. Wir hätten in der Menge überall unsere Leute verteilt. Dafür sind wir nämlich da.«
»Er hat uns schließlich keinen Brief geschrieben und sich angekündigt.«
»Aber Sie haben damit gerechnet. Das hätte gereicht. Jetzt hat Ihr Partner eine zerschnittene Visage, und Sie haben was weiß ich wie viele unschuldige Menschenleben in Gefahr gebracht. Das nenne ich ein gutes Tagespensum. Wissen Sie, wer der Kerl ist?«
»Nein.«
»Wenn Sie mich anlügen, David, mach ich aus Ihren Eiern ein mexikanisches Omelett.«
»Wir wissen nicht, wer er ist. Wie geht es Bruce?«
»Dem jungen Mann, der jetzt Ihretwegen wie Boris Karloff aussieht? Liegt im Krankenhaus. Er wird eine schöne Erinnerung zurückbehalten und Ihnen sicher auf ewig dankbar sein. Mein Kollege Sanchez nimmt gleich Ihre Aussage zu Protokoll. Ist schon klar, dass Sie ihm die Hucke voll lügen, aber strengen Sie sich ein bisschen an, dass es glaubhaft klingt. Ich habe keine Lust, Ihnen nachzulaufen und Sie noch mal zu befragen.«
»Was ist mit Anna?«
»Wurde unter Polizeibegleitung nach Hause gebracht. Vielleicht kriegen wir aus ihr etwas mehr raus als aus Ihnen. Ich glaube, die steht auf Sie.«
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Ich wollte Sie treten, bis Sie aufwachen, aber sie hat gesagt, ich soll damit aufhören.«
Angespannt fuhr Spandau ins Krankenhaus. Am Empfang erfuhr er, dass Bruce noch in der Notaufnahme war. Er habe ziemlich viel Blut verloren, sei aber nicht in Lebensgefahr. Trotzdem dürfe Spandau erst zu ihm, wenn Mr. Hamill auf die Station verlegt worden sei. Spandau nickte. Als ihm die Schwester den Rücken zudrehte, stahl er sich in die Notaufnahme. Vor einem Behandlungsraum wartete Babe, Bruces Frau, mit der kleinen Tochter auf dem Arm.
»Sie trauen sich was«, fuhr sie ihn wütend an. »Dass Sie sich hier blicken lassen.«
Bruce lag im Bett, das Gesicht dick verbunden. Der Schnitt verlief von der Nasenwurzel bis fast zum linken Ohrläppchen, mitten durch die Nebenhöhle, die gesamte linke Gesichtshälfte eine klaffende Wunde. Er stand unter starken Schmerzmitteln, war aber genauso freundlich wie immer. Dadurch kam Spandau sich gleich noch mieser vor. Wenn man schon mal hoffte, dass sich jemand wie ein Arschloch aufführte, hoffte man natürlich vergebens.
»Wie geht’s dir?«, fragte er.
»Könnte schlimmer sein. Allerdings kann ich nie wieder Klavier spielen.« Bruce fiel das Sprechen schwer. Was nicht nur an den stramm sitzenden Verbänden lag, sondern auch daran, dass ihm das halbe Gesicht in Fetzen hing.
»Hör mal …«
»Es war meine eigene Schuld, Alter«, unterbrach ihn Bruce. »Du hast ja gesagt, dass ich ihm nicht zu dicht auf die Pelle rücken soll, aber dann hat mich das Jagdfieber gepackt. Meine eigene Blödheit.«
»Kann ich sonst was für dich tun? Brauchst du etwas?«
»Ich komme mir hier vor wie im Urlaub. Und die Stunden kriege ich doch trotzdem bezahlt, oder?«
»Na klar.«
Als Spandau
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