Nächte in Babylon
was nimmt immer ein böses Ende, bloß leider nie für euch.«
»Womit Sie aber sicher nicht andeuten wollen, dass wir Gott auf unserer Seite haben, oder?«
»Wenn es einen Gott gäbe«, sagte Vignon, »hätten die Amerikaner nie die Atombombe erfunden und ich hätte meine Exfrau nie kennengelernt. Kann aber auch sein, dass die Katholiken doch recht haben. Demnach wäre Gott tatsächlich mit den Doofen.«
Der Kellner kam an den Tisch geschlurft, um sie nach ihren Speisewünschen zu fragen. Vignon bestellte lediglich einen Cognac und fügte auf Französisch hinzu: Und wenn der Ami was essen will … dem können Sie sonst was vorsetzen. Spandau verging schlagartig der Appetit. Er orderte ebenfalls einen Cognac.
»Mit achtzehn, nach der Highschool, bin ich zur Army gegangen. Fürs College hätte es auch gereicht, aber es war kein Geld da. Außerdem hatte mein alter Herr mit Weiterbildung sowieso nichts am Hut. Deshalb bin ich aufs Militär verfallen.«
»Wie faszinierend für Sie. Ich war zwei Jahre bei den Paras in Nordafrika.«
»Da werden Sie sich bestimmt einiges drauf einbilden. Jedenfalls ging ich zur Armee. Ich war, wie man so schön sagt, ein richtiger Kotzbrocken.«
»Ein was?«
»Ein Kotzbrocken. Ein sturer Hund. Ein arroganter Affe.«
»Sie waren …?«
»Ja, ein ziemliches Früchtchen. Ich ließ mir von keinem was sagen, hab mich dauernd in die Scheiße geritten und wollte nur noch weg von meinem verhassten deutschen Vater. Unter sorgfältiger Abwägung all dieser doch ziemlich eindeutigen Gegengründe schickte mich der Staat prompt als Militärpolizist nach Deutschland. Vermutlich, weil einer, der sich nichts befehlen lässt, logischerweise besonders gut im Befehlegeben sein muss. Und wenn er auch noch einen Hass auf seinen deutschen Vater schiebt, muss er weniger anfällig dafür sein, mit der Bevölkerung zu fraternisieren. Außerdem war ich schon damals ein ziemlicher Kleiderschrank. Und solche Kerle kann die US -Army immer gebrauchen.«
»Können Sie nicht langsam mal zu Potte kommen? Ich kriege schon Kopfschmerzen.«
»Haben Sie ein bisschen Geduld. Sie werden schon noch sehen, worauf ich hinauswill«, sagte Spandau. »Ich wurde jedenfalls Militärpolizist. Ich war zwei Jahre in Wiesbaden stationiert und sollte verhindern, dass unsere Soldaten mit den deutschen Fräuleins fraternisieren und samstagnachts mit ihren Jeeps die Kartoffeläcker umpflügen.«
»Ja, ja …«
»Aber natürlich war das Militär schiefgewickelt – wie so oft. Natürlich hasste ich meinen Vater, aber dieser Hass ließ sich komischerweise nicht auf andere Krauts übertragen. Ich hatte nichts gegen die Deutschen, im Gegenteil. Im Großen und Ganzen waren sie mir sympathischer als die amerikanischen Kameraden, die ich in den Bau schicken musste. Ganz zu schweigen von den Offizieren, auf deren Befehl hin ich sie einbuchten musste. Ich habe fraternisiert wie ein Weltmeister. Mein bester Freund war ein Deutscher. Er hieß Klaus und war Optiker. Und seine Schwester Magda hat mich entjungfert.«
»Also wirklich …«
»Klaus’ große Leidenschaft war der Erste Weltkrieg. Er sah ihn als Wendepunkt für Deutschland, für die gesamte westliche Zivilisation. Und er konnte nicht begreifen, wie wenig sich die Amerikaner dafür interessieren. Immer wenn ich ein paar Tage Urlaub hatte, haben mich Klaus und Magda in einen Zug verfrachtet und sind mit mir rüber nach Frankreich gefahren, um bei totalem Mistwetter in Verdun und Sedan rumzustapfen. Da konnte ich die Veteranen aus dem Ersten Weltkrieg zum ersten Mal richtig verstehen. Kein gemütliches Plätzchen, noch nicht mal für ein Picknick, aber schon gar nicht für einen Krieg. Ich sag Ihnen, in der Gegend haben sie so viel Schlamm, dass sie ihn exportieren könnten.«
»Ich brauch noch ’nen Cognac.« Vignon winkte den Kellner heran.
»Zwei, bitte«, sagte Spandau, als sich der Bedienungsgreis an ihren Tisch geschleppt hatte. »Jedenfalls …«
»Holen Sie eigentlich nie Luft? Atmen die Texaner alle durch den Arsch?«
»Das kann ich Ihnen leider auch nicht genau sagen, weil ich aus Arizona stamme. Aber besonders überraschen würde es mich nicht. Bitte glauben Sie mir, meine Geschichte hat eine Pointe, die Ihnen gefallen wird.«
Die Getränke kamen. Vignon, der das erste Glas bereits ausgetrunken hatte, nahm einen herzhaften Schluck von seinem zweiten Cognac. Spandau kippte sich den ersten hinter die Binde und rückte sich das zweite Glas in Reichweite.
»Bis auf
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