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Nächte in Babylon

Nächte in Babylon

Titel: Nächte in Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Depp
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den Schlamm ist die Gegend nicht übel. Klaus mochte die Franzosen nicht, sie waren ihm nicht freundlich genug …«
    »Ganz im Gegensatz zu den Deutschen natürlich«, warf Vignon ein.
    »Ich dagegen hab mich immer mehr für sie erwärmt. Irgendwann hat Klaus geheiratet, und Magda hat sich einen Braten in die Röhre schieben lassen (nein, nein, nicht von mir, vom Konditor unseres Standortkommandanten, mit dem sie ebenfalls fraternisiert hatte). Und ich? Ich habe eine Entdeckung gemacht: Ich konnte mich von den Transportmaschinen, die die Desert-Storm-Truppen hin und her flogen und Colin Powell ab und zu auch noch einen Hummer aus Maine zum Abendessen mitbrachten, nach Paris mitnehmen lassen. Es waren herrliche Zeiten. Ich konnte mich Freitagabend abseilen, das Wochenende in Paris verbringen und Montagmorgen – mehr oder weniger nüchtern – pünktlich zum Dienst antreten. In den kleinen Familienbetrieben am linken Seine-Ufer, wo der Chef und die Chefin noch selber am Herd standen, fing meine Liebe zur französischen Küche an. Am Place du Tertre in Montmartre abhängen, ein Käse-Schinken-Baguette mampfen, während die Künstler die Touristen über den Tisch ziehen, mit kleinen Engländerinnen flirten: Etwas Schöneres gibt es nicht.«
    »Kann ich mir lebhaft vorstellen«, sagte Vignon. »Eine Flasche kratzigen vin rouge im Arm, Akkordeonklänge unter Laternen an der Pont Neuf, eine noch nie aufgeschlagene Taschenbuchausgabe von Das Sein und das Nichts im Rucksack und eine Tasse Kaffee für acht Dollar im Deux Magots, um sich so wie Hemingway zu fühlen, der sich da vor Urzeiten auch schon den Hintern plattgesessen hat. Jetzt fehlt bloß noch die Baskenmütze. Und dass Sie sich nach den obligatorischen zehn Minuten im Louvre zum Maler berufen fühlten.« Er trank einen Schluck. »Sie kommen in unser Land, machen sich nicht die Mühe, auch nur ein Wort Französisch zu lernen, trauen sich keine drei Meter vom Hard Rock Café weg und bilden sich ein, die Feinheiten unserer Kultur intus zu haben. Dabei könnt ihr doch noch nicht mal unseren Kaffee vertragen, wenn er nicht verdünnt ist.«
    »Ja«, sagte Spandau. »Diese Sorte Amerikaner kenne ich. Ich kenne aber auch die Sorte Franzosen, die uns ohne viel Vertun als Banausen abstempelt. Als ich mal in einem Bistro zu Mittag essen wollte, hat mich die Bedienung zu ein paar Einheimischen an den Tisch gesetzt. Worauf der Restaurantchef sie angepfiffen hat: Das geht nicht, die wollen immer für sich bleiben. Wobei er mit ›die‹ vermutlich die Amerikaner meinte. Also hat sie mich an einen anderen Tisch umgesetzt, obwohl ich sehr gern bei den Stammgästen gegessen hätte. Dann brachte die Kellnerin meinen Salat. Aber es war der falsche. Eine Kollegin sagte zu ihr: Der hat was anderes bestellt. Wollen Sie wissen, was sie geantwortet hat? Ach, das merkt der doch nicht, der ist Amerikaner. Und das ganze Lokal hat sich auf meine Kosten königlich amüsiert.«
    »Es wundert mich, dass Ihnen das jemand erzählt hat.«
    Spandau nippte an seinem Cognac und schmunzelte. »Womit wir endlich bei der Moral von der Geschicht’ angekommen wären. Das hat mir keiner erzählt. Das hatte ich nicht nötig. Die hatten eben ihre vorgefertigte Meinung.«
    Vignon starrte ihn eine Sekunde lang begriffsstutzig an. Dann fiel der Groschen. Die Situation war ihm so peinlich, dass er Spandau nicht mehr ins Gesicht sehen konnte.
    »Das haben Sie bestimmt missverstanden«, sagte er. »Für mich hört sich das so an, als ob Sie da was in den falschen Hals gekriegt haben.«
    »Nein«, sagte Spandau. »Wir hatten an der Schule zwei Jahre Fremdsprachenunterricht. Mit Deutsch konnte man mich jagen, Spanisch kam mir zu den Ohren raus, und Latein wollte ich auch nicht nehmen, weil es doch höchst unwahrscheinlich war, dass ich jemals einem römischen Soldaten über den Weg laufen würde. Es blieb also nur Französisch übrig. Man staunt ja immer, wie viel einem auch nach Jahren wieder einfällt. Nur mit dem Sprechen tue ich mich immer noch ein bisschen schwer.«
    »Ich glaube, wir sollten langsam aufbrechen«, sagte Vignon.
    »Seit ich aus dem Flieger gestiegen bin, haben Sie mich auf dem Kieker«, sagte Spandau. »Obwohl ich Sie noch nie im Leben gesehen habe, knallen Sie mir keine drei Minuten nach der Landung die erste Beleidigung an den Kopf. Eines muss man Ihnen allerdings lassen: konsequent sind Sie. Sie haben sich noch keine Gelegenheit entgehen lassen, auf mich einzudreschen. Ich musste mir

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