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Nächte in Babylon

Nächte in Babylon

Titel: Nächte in Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Depp
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Special wusste nicht das Geringste über dieses Kaff, und er wollte es auch nicht näher kennenlernen. Ihn interessierte nur eins: den kleinen Irren finden und ihm die Kohle abknöpfen, bevor ihm Jimmy Constanza noch zwei, drei Schläger auf den Hals hetzte, um Hackfleisch aus ihm zu machen.
    Weil er Hunger hatte, ging er in das Café an der nächsten Ecke, wo ihm der Kellner eine französische Speisekarte brachte. Für Special hätte sie genauso gut auf Chinesisch sein können.
    »Sprechen Sie Englisch?«, fragte er.
    Der Mann schüttelte den Kopf.
    »Dann kann ich Ihnen ja anvertrauen, dass ich von Ihrem Land jetzt schon die Schnauze voll habe. Und zwar gestrichen. Parleh-wu Hamburger?«
    (Auf Französisch): »Ja, Monsieur möchten Fraß-Food.«
    »Ich hätte gern einen Cheeseburger, Fritten und eine Cola.«
    Der Kellner starrte ihn verständnislos an. Special blieb nichts anderes übrig, als es auf die pantomimische Art zu versuchen: »Hamburger, okay? Oui?«
    »Oui.«
    Special streckte eine Hand aus, die den Hamburger darstellen sollte. »Hamburger und …« Er legte die andere Hand darauf. » … oben drauf Käse. FROHMATSCH , wenn ich mich nicht irre. Frohmatsch-Burger, kapiert?«
    » Oui , Monsieur.«
    »Und Fritten.«
    »Pardon?«
    »Fritten«, wiederholte Special. »Ach, scheiß auf die Fritten. Dann eben nur die Cola.« Special setzte ein imaginäres Glas an die Lippen. »Gluck, gluck, gluck. Coca-Cola. Das hält man ja im Kopf nicht aus.«
    Der Kellner notierte alles artig in seinen Block und zog ab. Während Special seinen Blutdruck wieder auf den normalen Pegelstand runterzwang, bemerkte er, dass ein paar Studenten an einem Nebentisch über ihn kicherten. Verfluchte Schneckenfresserbrut. Das ganze Land hatte sich gegen ihn verschworen. Die beiden Mädchen und der tuntige Knabe tuschelten auf Französisch miteinander. Dann stand die unscheinbarere der beiden jungen Frauen auf und kam zu Special an den Tisch.
    »Der Hamburger hat sowieso Pommes als Beilage«, sagte sie. »Und Käse kriegt man hier nie, auch dann nicht, wenn man ihn extra bestellt, weil es unseren Plastikkäse in Frankreich nämlich nicht gibt. Außerdem würde es zu viel Arbeit machen. Seien Sie auch darauf gefasst, dass der Hamburger ziemlich roh ist, so essen die sie hier am liebsten. Allerdings weiß der Kellner, dass Sie Amerikaner sind, deshalb kann es genauso gut sein, dass er Ihnen eine kohlschwarze Schuhsohle serviert. Also seien Sie gewarnt.«
    »Sie sprechen Englisch!« Special strahlte.
    »Genau wie der Kellner.«
    »Was ist bloß los mit diesen Franzosenheinis?«
    »Die sind schon okay. Aber Sie waren unhöflich. Die stehen hier auf solche Zauberwörter wie guten Morgen, auf Wiedersehen, bitte und danke. Und sie freuen sich, wenn man wenigstens versucht, sich in ihrer Sprache verständlich zu machen. Woher kommen Sie?«
    »L. A.«
    »Wie würde es Ihnen gefallen, wenn jeden Sommer Tausende von Menschen in Ihre Stadt kommen würden, die Ihre Sprache nicht sprechen?«
    »Baby, Sie waren wohl noch nie in L. A., hm? Sind Sie Amerikanerin?«
    »Aus Manchester, New Hampshire. Ich mache hier einen Sprachkurs.«
    »Ich heiße Eduardo. Und Sie?«
    »Patsy.«
    »Nett, Sie kennenzulernen, Patsy. Vielen Dank für Ihre Hilfe. Auch wenn ich gar nicht unhöflich war.«
    »Doch.« Sie lächelte ihn an und setzte sich wieder zu ihren Freunden.
    Special holte den iPod heraus und hörte sich ein paar Pavarotti-Arien an. Jedes Mal wenn er zu Patsy hinübersah, trafen sich ihre Blicke.

9
    Special fuhr mit dem Taxi nach Cannes, schlenderte eine Zeit lang die Croisette auf und ab, genoss die Aussicht und beobachtete die vielen Menschen, die alle furchtbar beschäftigt taten. Die Chancen, Perec in diesem Getümmel aufzuspüren – falls er sich nicht sowieso schon längst wieder vom Acker gemacht hatte –, standen alles andere als günstig. Da die Restaurants überfüllt waren, fuhr er wieder nach Nizza zurück und aß in der Nähe seiner Pension zu Abend. Er nahm sich eine Flasche Wein mit aufs Zimmer, die er, während er La Traviata lauschte, zur Hälfte leerte.
    Zum Frühstücken ging er wieder in das Café an der Ecke. Aus dem Sprachführer, den er sich am Abend zuvor zugelegt hatte, las er dem Kellner seine Bestellung vor: amerikanischen Kaffee und Rühreier. Œufs brouillés . Was für eine Affensprache. Er nippte an seinem Kaffee. Seine Nähte juckten, und plötzlich sah er gestochen scharf vor sich, was sich Locatellis Leute für ihn

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