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Nächte in Babylon

Nächte in Babylon

Titel: Nächte in Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Depp
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vorzüglich, die Zigarre eine echte kubanische, an die man in den Staaten nicht herankam. Ohne Patsy, die sich von einer äußerst spendablen Seite zeigte, hätte er sie sich niemals leisten können. Sie war ihm dankbar dafür, dass er ihr ein ganzes Universum der Lasterhaftigkeit eröffnet hatte, und so, wie sie sich diese neue Welt Nummer um Nummer eroberte, wusste Special, dass er sein Geld wert war. Er paffte an seiner Zigarre. Nippte an seinem Weinbrand. Die Sonne schien. So langsam kam er auf den Geschmack: Das Leben konnte sehr schön sein.
    »Da.« Sie schob ihm einen Zettel rüber. »Sie ist in der Jury für die Filme, die im Hauptwettbewerb laufen. Die werden alle im Palais gezeigt. Das sind die Titel und die Zeiten.«
    »Und?«
    »Das ist alles. Sie laufen drei Mal am selben Tag im Palais. Davon kann sie sich eine Vorführung aussuchen. In welche sie geht, weiß keiner.«
    »Das heißt, wir müssen zu allen dreien antraben und den ganzen Tag auf sie warten?«
    »Was heißt hier ›wir‹? Hast du eine Maus in der Tasche? Kannst du dir überhaupt vorstellen, was da los sein wird? Ich finde sowieso, das ist eine Schnapsidee. Wäre es nicht einfacher, ihre Agentur anzurufen? Oder zu Hause in den Staaten einen Termin mit ihr zu machen? Für mich ist das bloß eine traurige Verschwendung kostbarer Kopulationszeit.«
    »Über die Agentur käme ich nie an sie ran. Du ahnst ja nicht, was für Snobs diese Leute sind. Das ist doch genau der Grund, warum ich sie hier drüben abfangen will. Und du musst mitkommen, weil du die Sprache sprichst. Gib dir einen Ruck. Es wird schon nicht so schlimm werden.«
    Die Quittung für diese lässig dahingesagte Bemerkung bekam er noch am selben Nachmittag. Als sie kurz vor drei zur zweiten Vorführung am Palais eintrafen, herrschte dort ein Getümmel wie auf dem Times Square an Silvester. Special staunte nicht schlecht. Musste in diesem gottverdammten Land eigentlich kein Mensch arbeiten? Doch als er sich die Wartenden näher ansah, merkte er schnell, dass er schiefgewickelt war. Die meisten waren gar keine Franzosen, sondern Touristen, die um die halbe Welt gereist waren, nur damit sie sich in der glühend heißen Sonne mit ein paar Tausend anderen Verrückten auf einem Bürgersteig drängen konnten, um einen Blick auf einen Filmstar zu erhaschen. Wenn sie Glück hatten. Man musste nämlich schon ganz schön die Ellenbogen ausfahren, um sich einen Platz in der ersten Reihe zu erkämpfen. Und auch dann kam es auf den richtigen Moment an.
    Die Kontrollen waren streng, der Eingang weiträumig abgesperrt. Wer sich bis ganz nach vorne durchgeboxt hatte, musste seine Position mit allen Mitteln verteidigen, um nicht abgedrängt zu werden, bis endlich die Limousinen vor dem roten Teppich vorgefahren kamen und die Berühmten und Schönen ausspuckten. Die blieben alle paar Schritte stehen und winkten und lächelten in die Menge, während einem selber fast die Ohren abgerissen wurden, weil irgendein Spinner wie wild mit seinem Autogrammblock wedelte oder in blinder Verzückung mit den Armen fuchtelte.
    Special kapierte es einfach nicht. Waren denn alle des Wahnsinns fettige Beute? Eines stand jedenfalls fest: Seine Pläne konnte er begraben. Es war aussichtslos. Nicht, weil er tatsächlich mit Anna Mayhew hätte sprechen wollen – das wäre ja nun wirklich hirnverbrannt gewesen –, sondern weil die Chancen, in diesem Gewühl über Perec zu stolpern, ungefähr genauso groß waren, wie einen Schneeball in der Hölle zu finden. Dabei konnte der kleine Wichser nicht weit sein. Er musste sich hier irgendwo rumtreiben, und wenn nicht jetzt, dann am Abend oder am nächsten Tag. Konnte natürlich auch sein, dass er schon zur Matinee aufgekreuzt war.
    »Es hat keinen Sinn«, brüllte er Patsy ins Ohr. »Viel zu viele Leute.«
    »Du wolltest ja nicht hören«, brüllte sie zurück und fasste ihm brutal in den Schritt, wodurch sie ihn zu einem würdelosen Hüpfer zwang – ihre dezente Art, ihn daran zu erinnern, wo seine wahren Verpflichtungen lagen.
    Sie traten den Rückzug in die Altstadt an. Specials Laune war im Keller. Dass Patsy dauernd versuchte, ihn zu befummeln, machte die Sache auch nicht besser. Sie wollte schnurstracks mit ihm in die Kiste steigen, aber er hatte keinen Bock. Ihm war eher nach einem zweiten Cognac und einer zweiten Zigarre, um seine Gehirnwindungen auf Trab zu bringen. Nach dieser Pleite musste er sich schleunigst etwas Neues einfallen lassen.
    »Was ist los mit

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