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Naechte mit Bosch - 18 unwahrscheinlich wahre Geschichten

Naechte mit Bosch - 18 unwahrscheinlich wahre Geschichten

Titel: Naechte mit Bosch - 18 unwahrscheinlich wahre Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke
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zwar mit 750 Millionen Sprechstellen. Wir hörten, dass es in den USA
party lines
gibt, quasi öffentliche telefonische Unterhaltungen von maximal zehn Personen, in die man sich gegen eine Gebühr jederzeit einschalten kann. Ich erinnere mich, dass ein Sprachwissenschaftler aus Konstanz über »Telefonieren auf japanisch« referierte und uns auf die unglaubliche Höflichkeit des Japaners am Telefon aufmerksam machte, die so weit gehe, dass er am Ende des Gesprächs das Auflegen des Hörers so lange wie möglich hinauszögere, um dem Ohr des Gesprächspartners das dabei entstehende Knacken zu ersparen.Ja, man hat in Japan fast eine eigene Telefoniersprache: Hat jemand den Namen eines Gesprächspartners nicht verstanden, sagt er normalerweise Shitsurei-desu-ga o-namae-wa nan-to osshaimasuka (etwa: Entschuldigen Sie bitte, wie sagten Sie, sei Ihr werter Name?). Am Telefon aber heiße das: Shitsurei-desuga o-namae-o ukagawasete itadakemasu-ka (etwa: Entschuldigen Sie bitte, würden Sie mir die Gunst erweisen, dass Sie mich nach Ihrem Namen fragen lassen?).
    Auch klärten uns Linguisten über den Aufbau von Telefonaten auf, die oberflächenstrukturell weltweit ähnlich organisiert seien: vom paarig geordneten Gruß der »nonvisiblen« Gesprächspartner am Anfang über das »Pausenmanagement« während des Gesprächs bis zum Abschied, bei dem die Echoformel »Auf Wiederhören« das Ende des Gesprächs bei gleichzeitigem Fortbestand der Beziehung signalisiere. Außerdem lernte ich, dass es eine Zeit gegeben haben muss, in der man das Telefon »Parlograph« nannte, und es ist eine Schande, dass die Bundespost uns um dieses herrliche Wort betrogen hat. Also: Es wurde das Telefon endlich zur Gänze und von allen Seiten betrachtet.
    Als ich nach Hause zurückkehrte, klingelte es, und eine Stimme meldete sich: »Vau hier.«
    »Shitsurei-desu-ga o-namae-o ukagawasete itadakemasuka«, sagte ich.
    »Mensch, ich bin’s, Vau«, brüllte die Stimme.
    »Was ist, willst du über Autos reden?« (Mein Freund, derDoktor Vau, ist nämlich einer der größten lebenden Sammler kleiner Plastikautos, aber das ist eine andere Geschichte.)
    »Ach, Autos. Wir müssen über das Telefonieren sprechen. Das Telefon ist das Auto des 21. Jahrhunderts.«
    Dann hat mir der Doktor Vau alles ganz genau erklärt. In zehn Jahren, sagte er, werde die Telekommunikationsindustrie für die Volkswirtschaft vielleicht bedeutsamer sein als jetzt noch die Autoindustrie. Schon jetzt sei Kupfer für so viel Geld in der Erde vergraben, dass man dafür die Autobahnen noch einmal bauen könnte. (»Bitte nicht«, flehte ich.) Das Telefon sei das Medium der Zukunft; jederzeit und überall werde man jedem telefonisch begegnen können, und die Unfallhäufigkeit dabei sei bedeutend geringer als beim Auto. Das alte schwarze Bakelittelefon sei dem VW-Käfer gleich in seiner Bedeutung. So wie jener die Motorisierung der bundesdeutschen Gesellschaft eingeleitet habe, stehe jenes für den Beginn ihrer Telefonisierung.
    Es werde, hat der Doktor Vau gesagt, schon in fünf, sechs Jahren keine Seltenheit mehr sein, dass man auch in der Trambahn sein Telefon dabeihabe, um ein paar dringende Gespräche zu führen. (Ich wendete an dieser Stelle ein, dass die Trambahn in manchen Städten doch heute schon eine Seltenheit sei, aber das hörte er nicht.) Und wenn sich das einmal durchgesetzt habe, sagte er, dann werde es irgendwann überhaupt ganz selbstverständlich sein, dass man stets und ständig ein Telefon mit sich führe. (Und dieTelefonzellen? Ha! Die würden alle abgeschafft!) Ja, so wie es heute unvorstellbar sei, dass man von einem Büro aus nicht telefonieren könne, rief aufgeregt der Doktor Vau, so werde sich irgendwann niemand mehr vorstellen können, dass man etwa auf einem Waldspaziergang nicht zu Hause anrufen würde, um zu bitten, schon den Kaffee aufzubrühen, man werde gleich da sein.
    »Ja, aber so lange Telefonschnüre für Waldspaziergänge gibt es doch gar nicht«, rief ich. »Natürlich sind die Apparate alle schnurlos«, sagte Vau und fuhr fort: Irgendwann werde jeder Mensch eine kleine Kreditkarte mit einer Nummer darauf erhalten, die er in jedes beliebige Telefon der Welt hineinschieben könne, um es auf diese Weise zu seinem Telefon zu machen, an dem er unter seiner Nummer erreichbar sei. Bei diesen Worten, wir hatten uns inzwischen in München getroffen, weil die Telefonhörer in der Hitze unserer Ohren geschmolzen waren, warf der Doktor Vau, der eine solche

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