Naechtliche Versuchung - Roman
Ihrem Geist herrscht ein wildes Durcheinander aus Gefühlen und Ängsten. Werden Sie ihn für sich gewinnen? Liebt er Sie? Kann er Sie überhaupt lieben? Lieben Sie ihn wirklich? Gibt es eine klitzekleine Chance, dass Sie Ihr Leben mit ihm teilen werden? Oder machen Sie sich nur was vor?«
Während er ihre Gedanken las, fröstelte sie.
Acheron blieb vor ihr stehen, legte einen Finger unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzuschauen. Unbehaglich spürte sie, wie er durch ihre Augen in ihre Seele blickte. Aber sie sah seine silbrige Iris nicht, nur ihr eigenes Spiegelbild in den schwarzen Brillengläsern.
Als er wieder sprach, schien seine Stimme in ihrem Kopf zu erklingen. »Ihre wichtigste Frage lautet - wie können Sie ihn retten, ohne Ihre Schwester zu gefährden?«
»Woher wissen Sie das alles?«
Ein sonderbares schwaches Lächeln umspielte seine Lippen. »Was ich vermag, werden Sie niemals begreifen.«
»Warum töten Sie Desiderius nicht, bevor er wieder über Kyrian herfällt?«
Acheron ließ ihr Kinn los. »Das würde mir nicht gelingen.«
»Wieso nicht?«
»Aus den gleichen Gründen, die Kyrian daran hindern. Ich besitze keine Seele, die den Daimon bekämpfen könnte. Deshalb würde er mich töten. Und wenn ich mich an die Sünden meiner Vergangenheit erinnere, erbebe ich bei der Ahnung, welche Methode er wählen würde.«
Darüber dachte sie eine Zeit lang nach. Desiderius hatte versucht, Kyrians Kreuzigung nachzustellen. Also musste Acheron einen ähnlich grausamen Tod erlitten haben. Wie war dieser furchterregende dunkle Jäger gestorben?
Dieser Frage folgte eine andere. »Auf welche Weise gewinnt ein dunkler Jäger seine Seele zurück?«
Acheron drängte sie an die Wand, wie ein Löwe, der seine Beute in die Enge treibt. Rings um ihn schien mystische Energie in der Luft zu knistern. »Seelen sind seltsame Gebilde,
Lady. Nur freiwillig können sie weggegeben werden. Wer sich von seiner Seele trennen möchte, muss sich aus eigenem Antrieb dazu entschließen.«
»Also sollte ich mich an Artemis wenden, die Kyrians Seele festhält?«
Acheron grinste boshaft. »Glauben Sie mir, meine Kleine, die würde Sie bei lebendigem Leib auffressen.«
Erbost über seinen Spott, starrte sie ihn an. Mochte er auch ein mächtiger dunkler Jäger sein - sie war kein Kind mehr. »Behandeln Sie mich nicht so herablassend!«
»Oh, das tue ich gar nicht, ich warne Sie nur. Dieser Göttin sind Sie nicht gewachsen. Sie ist der Himmelswind, die Herrin unserer Schicksale. Und Sie, kleines Mädchen, sind ein winziger Leckerbissen, den sie zerbeißen und wieder ausspucken würde - einfach nur zum Spaß.«
Amandas Magen drehte sich um. »Besten Dank für diese anschauliche Prophezeiung.«
Jetzt nahm sein prägnantes Gesicht etwas sanftere Züge an. »Wollen Sie Kyrian tatsächlich retten?«
»Natürlich.« Wieder einmal gewann sie den Eindruck, er würde ihre Gedanken lesen. »Er bedeutet mir alles.«
»Ja, Ihr Herz ist rein. Und das kann vielleicht funktionieren.«
Irgendetwas in seiner Stimme wies sie auf ein bedrohliches Risiko hin. »Was würde funktionieren?«
Langsam ging er zu einem schwarzen Rucksack, der auf dem Couchtisch lag, und nahm eine reich geschnitzte schwarze Kassette heraus, die mit silbernen Symbolen und klassischen griechischen Schriftzeichen verziert war. »Was Sie suchen, befindet sich da drin.« Er hob den Deckel des Kästchens und
zeigte ihr ein rotes, in schwarzen Samt gebettetes Medaillon, das wie seine Augen irisierte. Aber die Farben wechselten zu Orange oder Gelb und schienen am Zentrum des Schmucks zu lecken, das einem Wirbelwind glich.
»Wie schön«, flüsterte Amanda und streckte eine Hand aus, um das Medaillon zu berühren.
Aber er entfernte es blitzschnell aus ihrer Reichweite. »Wenn Sie es anfassen, wird es Sie verbrennen wie ein Höllenfeuer.«
Hastig ließ sie ihre Hand sinken. »Was ist das?«
»Kyrians Seele.«
Beinahe blieb ihr Herz stehen. Wie kühl und beiläufig er diese Worte aussprach! Kyrians Seele. War das möglich? Sicher nicht. »Nein, Sie lügen.«
»Ich lüge nie«, erwiderte Acheron schlicht. »Das habe ich nicht nötig.«
Trotzdem wollte sie nicht glauben, dass er besaß, was sie sich am sehnlichsten wünschte. »Was machen Sie damit?«
»Nun, ich hoffe sehr, Sie werden mir helfen, meinem Freund seine Seele wiederzugeben, damit er Desiderius töten kann.«
»Wie soll das geschehen?«
Acheron nahm das Medaillon aus der Kassette und klappte den Deckel
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