Naechtliche Versuchung - Roman
gegessenen Keks hin. Offensichtlich fürchtete sie sich nicht vor fremden Leuten. »Keksie?«, piepste sie.
Lächelnd kniete er vor ihr nieder und nahm den Keks aus ihrer ausgestreckten Hand. Dann strich er zärtlich über ihr dunkles Haar. »Danke, meine Süße«, antwortete er und gab ihr den Keks zurück. »Aber ich bin nicht hungrig.«
Selbst wenn Amandas Leben eine Ewigkeit dauern sollte, würde sie niemals die verzweifelte Sehnsucht in Kyrians Blick vergessen, als er Vanessa an seine Brust presste. Was in ihm vorging, drückten seine Augen deutlich aus - die Erkenntnis, dass er etwas Kostbares in den Armen hielt und nie mehr loslassen wollte.
Mit gesenkten Lidern legte er seine Wange auf Vanessas Scheitel und ballte seine Hand hinter ihrem Rücken. »Heilige Götter, Julian, du hast schon immer wunderschöne Kinder gezeugt.«
Darauf gab Julian keine Antwort. Aber Amanda spürte seinen Kummer, während er seine Tochter und den Freund beobachtete. Die beiden wechselten einen eindringlichen Blick.
Irgendetwas schienen sie miteinander zu teilen - vielleicht einen Albtraum, von dem Amanda nichts wusste.
Nun stand Grace auf, und Julian ergriff ihre Hand. »Das ist mein Freund, Kyrian von Thrakien. Kyrian - meine Frau.«
Vanessa immer noch in den Armen, sprang der dunkle Jäger so anmutig auf wie ein schwarzer Panter, der sich aus einer gefährlichen Lauerstellung erhebt. »Grace, es ist mir eine Ehre, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
»Danke, ganz meinerseits. Julian hat mir so viel von Ihnen erzählt, dass ich Sie bereits zu kennen glaube.«
Mit gerunzelter Stirn wandte sich Kyrian zu Julian. »Nachdem er mein Verhalten so oft gerügt hat, wage ich mir gar nicht vorzustellen, was er Ihnen alles anvertraut hat.«
»So schlimm war’s gar nicht«, entgegnete Grace lächelnd. »Ist das wahr, dass Sie einmal ein ganzes Bordell aufgewiegelt haben …«
»Julian!«, fauchte der dunkle Jäger. »Das hast du ihr erzählt? Unglaublich!«
Seelenruhig zuckte Julian die Achseln. »In brenzligen Situationen hast du schon immer einen ganz besonderen Einfallsreichtum bewiesen.«
Plötzlich rang Grace nach Luft und berührte ihren gewölbten Bauch. Julian musterte sie besorgt. »Tut mir leid …«, entschuldigte sie sich und lächelte schwach. »Das Baby tritt wie ein Maulesel um sich.«
In Kyrians Augen erschien ein seltsamer Glanz, als er ihren Bauch anstarrte. Beinahe hätte Amanda geschworen, ein Feuer würde darin schwelen. »Noch ein Junge«, sagte er leise mit hohler Stimme.
»Wieso wissen Sie das?«, fragte Grace überrascht und strich über ihren Bauch. »Erst gestern habe ich es erfahren.«
»Er spürt die Seele des Babys«, erklärte Julian. »Das gehört zu den außergewöhnlichen Fähigkeiten, die einen dunklen Jäger schützen.«
»Mein Freund, du wirst einen sehr eigenwilligen Sohn bekommen«, prophezeite Kyrian. »Liebevoll und großzügig. Aber furchtbar leichtsinnig.«
»Oh, das erinnert mich an jemanden, den ich früher kannte«, bemerkte Julian.
Mit diesen Worten schien er den dunklen Jäger zu irritieren.
»Komm mit mir.« Julian nahm Vanessa aus Kyrians Armen und stellte sie auf die Beine, obwohl sie protestierend
quietschte. »Gehen wir nach oben, ich muss deine Wunde behandeln.«
Die beiden Männer verließen den Raum, und die Frauen folgten ihnen in die Diele.
Als Kyrian und Julian die Treppe hinaufstiegen, schaute Amanda ihnen seufzend nach. Tausend Fragen brannten ihr auf der Zunge. Wäre der dunkle Jäger nicht verletzt worden, würde sie nach oben laufen und Antworten fordern. Aber Julian hatte Recht, die Wunde sah bedrohlich aus und musste verarztet werden.
Nach einem letzten wehmütigen Blick zu den Stufen wandte sie sich zu Grace. »Erstaunlich, wie gelassen du dieses Chaos hinnimmst … Götter verschwinden, Besucher tauchen in blutiger Kleidung auf und werden in deinem Wohnzimmer von einem Blitz niedergestreckt. An deiner Stelle wäre ich längst ausgeflippt. Noch dazu in deinem Zustand.«
Lachend scheuchte Grace die weinende Vanessa ins Wohnzimmer zurück. »Nun, in den letzten Jahren habe ich mich an griechische Götter gewöhnt, die plötzlich aufkreuzen oder verduften. Auch an andere Dinge, über die ich gar nicht nachdenken will. In meiner Ehe mit Julian habe ich gelernt, stets die Nerven zu behalten.«
Amandas Lachen klang etwas gezwungen. Vor ihrem geistigen Auge sah sie den rätselhaften dunklen Jäger. »Ist Kyrian - ebenfalls ein Gott?«
»Keine Ahnung. Nach
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