Naechtliche Versuchung - Roman
Tageslicht fernhalten.
Während Amanda um ein schwarzes Ledersofa herumging, erstarrte sie plötzlich. Davor stand ein Sarg. »Ist das …« Sie brachte es nicht über sich, den Satz zu beenden. Schaudernd stellte sie sich vor, Kyrian würde tagsüber darin schlafen.
Ohne mit der Wimper zu zucken, erwiderte er ihren entsetzten Blick. »Mein Couchtisch«, verkündete er und ging zu dem Sarg, hob den Deckel hoch und nahm eine Fernbedienung heraus. »Falls du morgen fernsehen willst.«
Jetzt entdeckte Amanda noch anderes Vampir-Dekor - kleine Statuen, Armbrüste, sogar Vampir-Tarotkarten auf dem Kaminsims, die Kyrian ergriff.
»Die hat Nick irgendwo aufgestöbert. So etwas findet er komisch. Jedes Mal, wenn er irgendwas entdeckt, das mit Vampiren zusammenhängt, bringt er es hierher.«
»Stört dich das?«
»Nein. Meistens ist er ein braver Junge.«
Während er Amanda durch andere Räume führte, verlor sie die Orientierung. »Wie groß ist dieses Haus?«, fragte sie und schaute sich in einem Spielsalon um.
»Zwölf Schlafzimmer. Sieben- oder achttausend Quadratmeter.«
»O Gott, ich war schon in kleineren Einkaufszentren«, scherzte sie, und er lachte.
In der Mitte des Salons stand ein geschnitzter Billardtisch. Außerdem gab es mehrere Spielautomaten, einen Fernseher und Gameboys. An merkwürdigsten fand sie Baseballhandschuhe und einen Baseball, die auf einem Klapptisch lagen.
»In manchen Nächten spiele ich mit Nick Baseball«, erklärte Kyrian.
»Warum?«
»Das hilft mir, meine Gedanken zu ordnen.«
»Macht es Nick nichts aus, wenn du dabei an was anderes denkst?«
»Doch, ihn irritiert alles. Ich glaube, ich habe ihm noch keinen einzigen Auftrag erteilt, über den er nicht empört war.«
»Wieso feuerst du ihn nicht?«
»Weil ich gern jemanden bei mir habe, den ich ständig bestrafen kann.«
Lachend schüttelte sie den Kopf. »Diesen Nick würde ich gern kennenlernen.«
»Dazu wirst du morgen Gelegenheit haben.«
»Wirklich?«
Kyrian nickte. »Wenn du was brauchst, sag es ihm, er wird sich darum kümmern. Sollte er dich irgendwie beleidigen, gib mir Bescheid, sobald ich aufwache. Dann werde ich ihn umbringen.«
Nach dem Klang seiner Stimme zu schließen, war das keine leere Drohung.
Nun öffnete er eine französische Tür und führte sie in eine Halle mit Glaswänden und einer gläsernen Decke, über der zahllose Sterne funkelten. Auf dem Fliesenboden klickten Amandas Schuhe und Kyrians Stiefel.
»Wundervoll«, meinte sie.
»Danke.«
Sie ging zu einer Skulptur im Zentrum des Raums, die drei Frauen darstellte. Fasziniert inspizierte sie das schöne Kunstwerk. Eine der Frauen lag auf der Seite, eine Schriftrolle in den Händen, die beiden anderen saßen am Boden und kehrten einander den Rücken. Während die eine ihre Finger auf eine Lyra legte, schien die andere zu singen. Am erstaunlichsten fand Amanda die leuchtenden Farben, mit denen die Figuren bemalt waren. Alle drei wirkten verblüffend lebensnah - und sie glichen Kyrian.
»Stammen diese Statuen aus Griechenland?«, fragte Amanda.
»Ja.« Um seine Lippen erschien ein schmerzlicher Zug.
»Meine Schwestern …«
Voller Mitgefühl betrachtete sie die schönen Gestalten etwas genauer.
Behutsam strich Kyrian über den Arm des etwa fünfzehnjährigen Mädchens, das die Schriftrolle umfasste und eine blaue Toga in derselben Farbe wie die strahlenden Augen trug. »Althea war die Jüngste, ruhig und schüchtern. Wenn sie nervös war, stotterte sie ein bisschen. Das war ihr sehr unangenehm, aber ich fand es liebenswert. Und Diana«, fuhr er fort und wies auf die rot gekleidete Frau mit der Lyra, »war zwei Jahr älter als ich, sehr temperamentvoll. Mein Vater meinte, wir beide wären uns zu ähnlich. Deshalb würden wir uns niemals vertragen. Phaedra …« Nun zeigte er auf die Figur in Gelb. »… war ein Jahr jünger als ich, und sie besaß die Stimme eines Engels.«
Voller Bewunderung erkannte Amanda die Anmut, die
der Bildhauer eingefangen hatte. Sogar die Falten der Gewänder wirkten realistisch. Die Gesichter erschienen ihr so ausdrucksvoll, dass sie halb und halb erwartete, die Gestalten würden zu sprechen beginnen. Sie verstand gut, warum der Anblick dieses Kunstwerks Kyrians Herz mit Wehmut erfüllte. »Hast du sie sehr geliebt?«
»O ja.«
»Was geschah mit ihnen?«
Mit abgewandtem Kopf antwortete er: »Nun, sie heirateten, und jede führte ein langes, glückliches Leben. Diana nannte ihren ersten Sohn nach
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