Naechtliche Versuchung - Roman
Schwachkopf, wenn du etwas anderes glaubst!
Ein Soldat hielt einen Nagel über Kyrians Handgelenk, ein anderer schwang einen schweren Eisenhammer hoch und ließ ihn herabsausen …
Schreiend erwachte Amanda, als sie den Nagel spürte, der ihren Arm durchdrang. Sie setzte sich auf, umklammerte mit zitternden Fingern ihr Handgelenk. Nur ein Traum.
Und doch so wirklichkeitsnah. Dies alles war tatsächlich geschehen. Sie wusste es.
Von einer unbekannten Macht getrieben, die sie nicht kannte, verließ sie ihr Zimmer und suchte Kyrian. Während der Morgen graute, rannte sie durch das dunkle Haus, die Mahagonitreppe hinauf, einen langen Korridor entlang. Ihr Instinkt führte sie zu einer Doppeltür an der Westseite des Gebäudes.
Ohne Zögern betrat sie ein Schlafzimmer, das doppelt so groß wie ihr eigenes war. Neben einem antiken Bett brannte eine einzelne Kerze und warf Schatten an die Wand. Goldbraune Vorhänge waren auseinander gezogen, an den Bettpfosten befestigt, und gaben den Blick auf cremefarbene Laken frei. Darauf warf sich Kyrian unruhig umher, als wäre er im selben Albtraum gefangen, den sie soeben erlebt hatte.
Wie rasend pochte ihr Herz. Sie eilte zum Bett, und Kyrian erwachte, sobald er Amandas kühle, sanfte Hand auf seiner Brust spürte. Langsam öffnete er die Augen und sah sie an seiner Seite sitzen, den Blick vor Entsetzen verdunkelt.
Mit wachsendem Erstaunen beobachtete er ihr Gesicht, ihre Hände, die über seine Brust strichen. Offenbar sah sie ihn gar nicht, sie war in einer seltsamen Trance gefangen.
Er rührte sich nicht und schwieg. Mit bebenden Fingern zog sie das Laken zurück und berührte die Narbe links von seinem Nabel. »An dieser Stelle ist der Dolch in deinen Bauch gedrungen«, flüsterte sie. Dann liebkoste sie die Narben an seinen Handgelenken. »Und hier schlugen sie dich mit dem Eisenhammer ans Kreuz.« Ihr Daumen glitt über seine Fingerspitzen. »Sogar die Nägel haben sie dir abgerissen.«
Mit beiden Händen streichelte sie die Bartstoppeln auf seinen Wangen, und die intensiven Gefühle, die aus ihren kristallblauen Augen strahlten, nahmen ihm den Atem. Noch nie hatte ihn eine Frau so angesehen.
»Mein armer Kyrian«, flüsterte sie. Tränen strömten über ihr Gesicht.
Ehe er wusste, was er tat, schob er das Laken vollends zur Seite, entblößte seinen ganzen Körper ihrem fragenden Blick. Sofort wuchs sein Verlangen.
»O Gott!« Behutsam berührte sie die Narbe an einem Schenkel, auf den Valerius das glühende Eisen gepresst hatte. »Dies alles haben sie dir wirklich angetan.« Die Augen von Tränen verschleiert, fügte sie hinzu: »Ich trat an deine Stelle, und ich spürte, wie du gefoltert wurdest.«
Verwundert runzelte er die Stirn. Ist das möglich?
Vorhin hatte er von seiner Hinrichtung geträumt. Waren seine und Amandas innere Kräfte so eng verbunden, dass er im Schlaf ihre Seele erreicht hatte?
Welch ein beängstigender Gedanke. Wenn das zutraf, dann waren sie auf einer höheren Ebene vereint, nicht nur auf der körperlichen.
Und es bedeutete …
Nein, das wollte er sich nicht vorstellen. Eine Seelengefährtin
gab es nicht, denn er selbst besaß keine Seele. Unmöglich!
Unverwandt betrachtete sie ihn, und ihr Herz flog ihm entgegen. Wie hatte er all die Qualen und einen so schändlichen Verrat ertragen?
Durch so viele Jahrhunderte hatte er die Last jenes Leids mit sich geschleppt. Allein. Immer allein. Voller Schmerzen, voller Sehnsucht. Ohne Erlösung.
Ohne Hoffnung.
»Welch ein übergroßer Kummer«, flüsterte sie.
Wie gern hätte sie Theone erwürgt, diese niederträchtige Frau, die Kyrians Unglück verschuldete. Aber vor allem wollte sie ihn trösten, den Schmerz in seinem Herzen lindern, die Vergangenheit auslöschen.
Wie gern würde sie ihm irgendetwas geben, das neue Hoffnung in seiner Brust weckte, die Erfüllung seines Traums von Kindern, von einer Frau, die ihn liebte.
Gott sei mir gnädig, ich möchte diese Frau sein!
Impulsiv neigte sie sich zu Kyrian und presste ihren Mund auf seinen. Während er den Kuss entzückt erwiderte, umfasste er ihr Gesicht. Nie zuvor hatte sie einen Mann so lustvoll gekostet. Ihre Zunge tanzte mit seiner, und sie fühlte, wie er in ihre Seele eindrang. Im Bett war sie niemals kühn gewesen. Aber sie hatte ja auch noch keinen Mann so heiß mit allen Fasern ihres Seins be gehrt.
Die Augen voller Tränen, drückte sie ihre Lippen an seinen Hals, an die Stelle, wo Valerius’ scharfkantiger Ring eine
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