Naechtliches Schweigen
beugte er sich zu ihr hinunter und riß sie an dem, was von ihrem Kleid übriggeblieben war, auf die Füße. »Und du warst wirklich so blöd zu glauben, ich hätte nicht gewusst, wer du bist!« Er schüttelte sie kräftig, doch sie nahm die Misshandlung kaum wahr, konnte sich kaum auf sein Gesicht konzentrieren. Längst war sie jenseits von Angst und Hoffnung.
Seine Augen, dunkel vor Wut, verengten sich zu schmalen Schlitzen. Nackter Hass lag darin.
»Du hast dich angestellt wie ein Schulmädchen, Emma, stotternd und errötend. Ich hätte beinahe laut gelacht. Und trotzdem hab' ich dich geheiratet und nichts weiter von dir erwartet, als dass du mir bei meiner Karriere hilfst. Aber hast du jemals deinen Vater gebeten, ein paar Hebel in Bewegung zu setzen? Nein.«
Emma gab keine Antwort. Schweigen war die einzige Waffe, die ihr geblieben war.
Angewidert ließ er sie los. Mit trübem Blick sah sie zu, wie er durch das Chaos stapfte, in das er ihr Heim verwandelt hatte.
»Du solltest langsam anfangen, ein bisschen nachzudenken. Überleg dir lieber bald, wie du mir all die Zeit, die ich in dich investiert habe, zurückzahlen könntest.«
Emmas Augen schlössen sich, doch sie weinte nicht mehr. Dazu war es zu spät. Sie musste Pläne machen.
Die erste wirklich Hoffnung auf Flucht kam in ihr auf, als sie hörte, dass Johnnos früherer Freund Luke an AIDS gestorben war.
»Er war mein Freund, Drew.«
»Er war eine verdammte Schwuchtel.« Drew klimperte auf dem riesigen neuen Flügel herum, den er vom Geld seiner Frau gekauft hatte.
»Er war mein Freund«, wiederholte sie, bemüht, das Zittern in ihrer Stimme zu verbergen. »Ich muss zu der Beerdigung gehen.«
»Du musst nirgendwo hingehen.« Er blickte auf und lächelte sie an. »Dein Platz ist hier, bei mir, und nicht bei der Trauerfeier für irgendeinen warmen Bruder.«
Da begann sie, ihn zu hassen, und war selber überrascht, dass sie noch derartige Gefühle aufbringen konnte. Es war so lange her, seit sie zum letzten mal irgend etwas empfunden hatte. Ausgerechnet eine Tragödie hatte ihr die Augen geöffnet. Ihre Ehe war zum Scheitern verurteilt; sie würde sich scheiden lassen. Schon wollte sie den Mund öffnen, um eine dementsprechende Bemerkung zu machen, dann blickte sie nachdenklich auf seine langen, schlanken Finger, die über die Tasten glitten. So schlank diese Finger waren, soviel Kraft stecke auch darin. Einmal hatte sie ihn um die Scheidung gebeten, mit dem Ergebnis, dass er sie beinahe erwürgt hatte.
Es hatte keinen Sinn, ihn zu erzürnen. Doch es gab eine wirksame Waffe.
»Drew, es ist allgemein bekannt, dass Luke ein Freund von mir war, und auch von Johnno und Papa. Wenn ich nicht hingehe, dann werden die Journalisten behaupten, dass ich die Bekanntschaft leugne, weil er an AIDS gestorben ist. Und das könnte auch dir schaden, besonders jetzt, wo du mit Papa dieses Benefizkonzert planst.«
Drew hämmerte auf den Tasten herum. Wenn diese Hexe nicht bald aufhörte zu quengeln, dann würde er ihr das Maul stopfen müssen. »Es interessiert mich einen Scheißdreck, was in der Presse steht. Ich gehe nicht zu der Beerdigung von diesem Freak.«
Emma zügelte ihr Temperament. Es ging um ihr Leben. Ihre Stimme klang weich und schmeichelnd, als sie beharrte: »Ich versteh' dich ja, Drew. Ein junger Mann wie du, so... so männlich.« Das Wort blieb ihr beinahe in der Kehle stecken. »Das Benefizkonzert wird hier und in Europa im Fernsehen übertragen, und der Erlös ist für die Aidsforschung bestimmt, also genau für das, woran Luke gestorben ist.« Sie hielt inne, um die Worte wirken zu lassen. »Ich kann mit Johnno hingehen. Und dich vertreten«, fügte sie rasch hinzu.
Er blickte sie aus trüben Augen an. Ein Ausdruck lag darin, den sie kannte und fürchtete. »Hast es eilig wegzukommen, was, Schätzchen?«
»Nein.« Emma überwand sich, trat hinter ihn und berührte sein Haar. »Ich hätte es viel lieber, wenn du mitkommst. Wir könnten hinterher mal Urlaub machen.«
»Verdammt, Emma, du weißt, dass ich arbeiten muss. Typisch, dass du nur an dich denkst.«
»Natürlich. Entschuldige.« Der unterwürfige Rückzieher war nur zum Teil gespielt. »Nur - ich wünschte, wir kämen mal für ein paar Tag hier raus. Nur wir zwei. Ich werde Johnno anrufen und ihm sagen, dass ich nicht mitkommen kann.«
Drew überlegte einen Augenblick. Dieses Benefizkonzert konnte für ihn den Durchbruch bedeuten, und dann würde er sich von Birdcage Walk trennen und
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