Naechtliches Schweigen
öffnete ihre Tasche und stopfte ein zusammengeknülltes Papiertuch hinein. »Seit wann hast du denn Zeit für alte Freunde?«
»Marianne...« Sie konnte hier nicht so einfach mit ihren Problemen herausplatzen. Es wimmelte von Reportern, die sie beobachteten und zu fotografieren versuchten. Drew würde Fotos von Marianne und ihr zu Gesicht bekommen und wissen, dass sie ihn belogen hatte. Verzweifelt blickte sie sich um. »Kann ich... ich muss...«
»Alles in Ordnung mit dir?« Marianne nahm ihre Sonnenbrille ab und sah Emma besorgt an. »Du siehst grauenhaft aus.«
»Ich muss mit dir reden. Hast du ein paar Minuten Zeit?«
»Ich hatte bis jetzt immer ein paar Minuten Zeit, wenn Not am Mann war«, gab Marianne zurück und kramte in ihrer Tasche nach Zigaretten. »Ich dachte, du würdest sofort zurückfahren.«
»Nein.« Jetzt musste sie die Katze aus dem Sack lassen. »Ich gehe nicht wieder zurück.«
Durch den Rauchschleier hindurch musterte Marianne sie verwundert. »Wie bitte?«
»Ich gehe nicht wieder zurück«, wiederholte Emma. Entsetzt stellte sie fest, dass ihr die Stimme versagte. »Können wir irgend woanders hingehen. Bitte. Irgendwohin.«
»Klar.« Marianne hakte sich bei Emma unter. »Wir nehmen ein Taxi.«
Bis zu Mariannes Hotel war es nicht weit. Da Emma am ganzen Körper zu zittern begann, hielt Marianne es für das beste, sie dorthin mitzunehmen. Sie gingen direkt in ihre Suite mit einem herrlichen Blick über den weißen Sandstrand und das tiefblaue Meer. Marianne hatte dem Raum bereits ihren Stempel aufgedrückt, indem sie ihre Kleidung über alle verfügbaren Sitzgelegenheiten verstreute. Sie fegte ihre Reisekleidung, ein dickes Sweatshirt und enge Hosen, von einem Stuhl, bedeutete Emma, sich zu setzen und griff nach dem Telefon.
»Ich hätte gerne eine Flasche Grand Marnier, zwei Cheeseburger, medium bitte, dazu Pommes frites und einen Liter Pepsi, eisgekühlt, wenn's geht. Zwanzig Dollar für den, der in einer Viertelstunde damit hier ist.« Zufrieden entfernte sie ein Paar Turnschuhe von einem anderen Stuhl und setzte sich. »So, Emma, jetzt erzähl mir mal, was los ist.«
»Ich habe Drew verlassen.«
Immer noch nicht bereit, der Freundin vollends zu vergeben, streckte Marianne die Beine aus. »Gut, das ist angekommen, aber warum denn? Ich dachte, du wärst wunschlos glücklich mit ihm?«
»O ja, ich bin sehr glücklich. Drew ist wundervoll, er tut alles für mich...« Ihre eigene Stimme klang ihr hohl in den Ohren. Angeekelt brach sie ab. »O Gott, manchmal glaube ich schon selbst daran.«
»Woran?«
»An das, was er mir eingeredet hat. Was ich sagen soll. Marianne, ich weiß nicht, mit wem ich sonst sprechen könnte. Und wenn ich mir nicht hier und jetzt alles von der Seele rede, dann werde ich's nie tun. Ich wollte Johnno alles erzählen, ich hab' auch angefangen, aber ich hab's nicht fertiggebracht.«
»Schon gut.« Da Emma ihr viel zu blass erschien, stand Marianne auf, um die Balkontür zu öffnen. Seeluft strömte herein. »Laß dir nur Zeit. Geht es um eine andere Frau?« Marianne sah wortlos zu, wie Emma begann, sich hin- und herzuwiegen und lauthals zu lachen.
»Gütiger Himmel!« Ehe sie es verhindern konnte, ging das Gelächter in ein würgendes Schluchzen über. Marianne nahm tröstend ihre Hand.
»Bleib ruhig, Emma. Reg dich nicht so auf, du schadest dir nur selbst. Wir alle wissen, dass die meisten Männer Schweinehunde sind. Wenn Drew fremdgegangen ist, dann schmeiß ihn raus.«
»Er hat keine andere Frau«, stieß Emma hervor.
»Einen anderen Mann?«
Emma kämpfte mit den Tränen. Wenn sie dem Drang zu weinen nachgab, würde sie vielleicht nie wieder aufhören können. »Nein. Ich habe keine Ahnung, ob Drew mich betrügt, und es ist mir auch egal.«
»Wenn keine andere Frau im Spiel ist, womit schlägst du dich denn dann herum?«
»Schlagen - das ist es ja gerade.« Nie hätte sie gedacht, dass es ihr so schwerfallen würde, diese erbärmliche Tatsache einzugestehen. Die Worte saßen ihr wie ein dicker, heißer Klumpen in der Kehle. Vor Scham konnte sie kaum weitersprechen. Nimm dich zusammen und bring es hinter dich, befahl sie sich. »Wenn ich hier so sitze, dann kommt es mir so vor, als hätte ich mir alles nur eingebildet, als wäre alles nur halb so schlimm. Er konnte so lieb sein, Marianne, so aufmerksam. Ich erinnere mich, wie er mir manchmal morgens eine Rose ans Bett gebracht hat. Wie er für mich gesungen hat, wenn wir allein waren, so als wäre
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