Naechtliches Schweigen
halten.
Aber er hatte ihr einen Drogenvorrat dagelassen. Auf seine Weise war Hitch in Menschenfreund.
Jane hatte seit über zwei Monaten nicht mehr mit einem Mann geschlafen, was sie allerdings nicht weiter störte. Wenn ihr der Sinn nach einem Orgasmus stand, brauchte sie nur zur Spritze zu greifen. Es kümmerte sie auch nicht, dass niemand mehr anrief oder vorbeischaute. Nur während der kurzen Phase, in der die Wirkung der Droge nachließ, geriet sei in weinerliche Stimmung und überließ sich ihrem Selbstmitleid. Und ihrer Wut. Wenn sie überhaupt noch etwas empfand, dann Wut.
Der Film war längst nicht so gut angekommen wie erwartet. Viel zu schnell war er von den Kinos in die Videotheken gewandert, und da Jane so schnell wie möglich Geld sehen wollte, hatte sie die Videorechte voreilig verkauft, sehr zum Ärger ihres Agenten. Jane hatte ihn schließlich gefeuert und die Sache selbst in die Hand genommen.
Nein, reich war sie durch den Film nicht geworden. Die lumpigen hunderttausend Pfund schwanden bei ihrer Lebensweise dahin wie Schnee in der Sonne. Und ihr neues Buch wurde schon wieder überarbeitet. Sie würde keinen Penny sehen, ehe der Ghostwriter nicht mit seiner Arbeit fertig war.
Auch ihre ergiebigste Quelle war versiegt. Die Schecks von Brian, auf die sie sich immer verlassen hatte, blieben aus. Dabei ging es ihr nicht nur um Geld, dachte Jane. Solange er zahlte, konnte er sie nicht aus seinem Leben streichen.
Wenigstens hatte auch er nicht das wirkliche Glück gefunden. Jane war stolz darauf, an dieser Tatsache nicht ganz schuldlos zu sein. Wenn sie ihn schon nicht haben konnte, verschaffte es ihr zumindest eine gewisse Befriedigung, dass auch keine andere Frau ihn lange zu fesseln vermochte.
Ab und zu träumte sie auch heute noch davon, dass er sich besinnen, zu ihr zurückkommen und sie um Verzeihung bitten würde. In ihrer Fantasie walzte sie sich mit ihm auf dem roten Samtbett, liebte ihn wieder so wild und leidenschaftlich wie vor vielen Jahren. Jane gab sich immer noch der Illusion hin, ihr Körper sei so fest und wohlgerundet wie der eines jungen Mädchens.
Dabei war sie mittlerweile so unförmig aufgedunsen, dass es beinahe grotesk wirkte. Ihre Brüste hingen schlaff herunter, die Taille war unter Fettwülsten verschwunden, und der fischweiße Bauch stand vor, als sei sie schwanger. Alles an ihr schwabbelte und wackelte, wenn sie sich bewegte.
Jane schaltete das Licht ein und suchte nach ihrer Pfeife. Gierig daran ziehend, lag sie auf dem Bett und dachte nach. Sie brauchte Geld, viel Geld, wenn sie ihre Lieferanten bezahlen wollte. Außerdem musste sie sich dringend neue Kleider anschaffen, um wieder auf Parties gehen und Aufmerksamkeit erregen zu können.
Lächelnd sog sie erneut an der Pfeife.
Es gab einen Weg, um an Geld zu kommen, doch sie musste es sehr, sehr schlau anstellen. Die Droge verlieh ihr Flügel. Es war an der Zeit, ihre Trumpfkarte auszuspielen.
Ganz hinten in ihrer Kommode fand sie einen Kasten Briefpapier, schöne, pastellfarbene Briefbögen, auf die in einer Ecke ihr Name aufgedruckt war. Eine Weile lang betrachtete sie es entzückt, dann suchte sie, unablässig vor sich hin murmelnd, nach einem Kugelschreiber. Nur eine kleine Versicherung, dachte sie, als sie zu schreiben begann. Natürlich würde sie ihren Namen entfernen, ihre Mutter hatte ja schließlich keine Idiotin großgezogen.
Langsam, wie ein Kind, fügte sie, die Zunge zwischen die Zähne geklemmt, Wort an Wort. Am Ende war sie mit ihrer Leistung so zufrieden, dass sie vergaß, ihre Anschrift zu entfernen. Briefmarken lagen auch in dem Kasten. Leise vor sich hin summend, klebte sie gleich drei davon auf den Umschlag, bewunderte ihr Werk und versuchte, sich an die Adresse zu erinnern.
Kesselring, Detective Los Angeles, Kalifornien U.S.A.
Nach kurzem Nachdenken schrieb sie noch >Dringend< in eine Ecke und unterstrich das Wort.
Auf der Suche nach einem geeigneten Versteck stapfte sie nach unten und machte in der Küche halt, wo sie eine ganze Packung Eis herunterschlang. Der Briefumschlag bekam einige Flecken ab, als sie sich das Eis gierig mit einem Esslöffel in den Mund schaufelte.
»Dusselige Ziege«, murmelte sie, als ihr ihre letzte Putzfrau einfiel. »Kann noch nicht mal 'n verdammten Brief einwerfen. Werd' sie rausschmeißen.« Empört watschelte sie aus der Küche und bückte sich mit sichtlicher Mühe, um den Brief unter der Eingangstür durchzuschieben, ehe sie sich wieder nach oben, zu
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