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Naechtliches Schweigen

Naechtliches Schweigen

Titel: Naechtliches Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Erinnerung zurück. Er stand in der Tür, hielt eine Aktentasche in der Hand und schaute sie grimmig an. O ja, dachte Jane. Man musste alles selber tun. »Komm rein, Sportsfreund. Ist ja schon eine Weile her.«
    »Das ist kein Freundschaftsbesuch.« Bei ihrem Anblick fühlte er sich an ein fettes, schmutziges Schwein erinnert.
    »Aber, aber. Wir sind doch alte Bekannte. Komm, trinken wir einen Schluck. Oben im Schlafzimmer, da erledige ich alle meine Geschäfte.«
    Fast schüchtern legte sie eine Hand auf seinen Arm. Er duldete die Geste in dem Wissen, dass er diesen Anzug verbrennen würde. »Wir können übers Geschäft reden, wo du willst. Aber mach voran.«
    »Immer in Eile.« Jane stampfte die Treppe hinauf, wobei ihre umfangreichen Hüften in heftige Bewegung gerieten. Er beobachtete sie, wie sie sich krampfhaft am Geländer festhielt, hörte ihr stoßweises Keuchen. Nur ein kleiner Stoß, überlegte er, und sie würde kopfüber die Treppe hinunterstürzen. Niemand würde daran zweifeln, dass es sich um einen Unfall handelte. Die Versuchung war so groß, dass er schon die Hand ausstreckte, doch dann nahm er sich zusammen. Es gab eine bessere, eine sicherere Lösung.
    »So, da sind wir, Süßer.« Janes Gesicht war hochrot angelaufen, als sie sich schnaufend auf das Bett fallen ließ. »Nenn mir dein Gift.«
    Der Gestank würgte ihn in der Kehle. Der ganze Raum wurde nur von einer einzigen Lampe erleuchtet, und in dem düsteren Licht konnte er Berge schmutziger Wäsche, Mahlzeitenreste, leere Kartons, Dosen und Flaschen erkennen. Ein fast greifbarer Fäulnisgeruch hing in dem Zimmer, so dass er nur vorsichtig durch die Zähne zu atmen wagte.
    »Ich möchte nichts trinken.« Er vermied es, irgend etwas zu berühren, nicht allein wegen der Fingerabdrücke, sondern auch aus Angst vor Bakterien.
    »Wie du willst. Was hast du mir mitgebracht?«
    Der Besucher stellte die Aktentasche neben sie. Auch die würde er verbrennen. Dann stellte er eine Zahlenkombination ein und ließ die Schlösser aufschnappen. »Hier ist ein Teil des Geldes.«
    »Ich hab' dir doch gesagt...«
    »Über Nacht kann man keine Million in bar auftreiben. Du wirst dich schon gedulden müssen.« Er schob die Tasche näher zu ihr hin. »Dafür habe ich dir etwas anderes mitgebracht, das dich aufmuntern wird. Ein Zeichen guten Willens.«
    Auf den gebündelten Scheinen lag eine durchsichtige Plastiktüte, die ein weißes Pulver enthielt. Janes Herzschlag beschleunigte sich bei diesem Anblick, und der Speichel lief ihr im Mund zusammen. »Das sieht man gern!«
    Ehe sie nach dem Päckchen greifen konnte, zog er die Tasche aus ihrer Reichweite. »Na, wer hat es denn jetzt eilig?« Sie sollte noch ein bisschen zappeln. Feiner Schweiß trat auf ihr Gesicht und lief ihr über die Wangen. Sie war nicht der erste Junkie, mit dem er zu tun hatte, daher wusste er genau, wie man mit solchen Leuten umgehen musste. »Das hier ist reines Heroin. Allererste Qualität. Ein Schuss, und du fühlst dich wie im Himmel.« Oder landest direkt in die Hölle, wenn man daran glaubte, dachte er. »Es ist alles für dich, Jane. Aber vorher musst du mir etwas zurückgeben.«
    Nackte Gier funkelten in ihren Augen. »Was willst du?«
    »Den Brief. Du gibst mir den Brief und läßt mir ein paar Tage Zeit, um das restliche Geld zu beschaffen, und das Zeug gehört dir.«
    »Den Brief?« Den hatte sie komplett vergessen. Ihre Augen hingen gebannt an dem Päckchen weißen Pulvers. »Es gibt keinen Brief. Ich habe keinen geschrieben.« Ach so, ihre Versicherung, erinnerte sie sich. Tückisch fuhr sie fort: »Noch nicht. Noch habe ich keinen geschrieben. Was nicht ist, kann ja noch werden. Laß mich das Zeug kurz probieren, und dann reden wir weiter.«
    »Nein, wir reden jetzt.« Es würde ihm ein Vergnügen sein, sie zu töten, dachte er, als er angewidert Speicheltröpfchen in ihrem Mundwinkel glänzen sah. Die Sache mit dem Jungen war ein Unfall gewesen, ein tragisches Versehen, das er zutiefst bedauerte. Zwar neigte er an sich nicht zur Gewalttätigkeit, aber es würde ihm eine ungeheure Befriedigung verschaffen, mit seinen eigenen Händen das Leben aus Jane Palmer herauszupressen.
    »Ich habe den Brief schon angefangen.« Verstört schielte Jane zu ihrem Schreibtisch. »Aber ich wollte auf dich warten. Wenn wir ins Geschäft kommen, dann vergesse ich die Sache.«
    Aufmerksam studierte er ihr Gesicht. Sie würde ihn nicht anlügen, dazu hatte sie nicht genug Grips. »Abgemacht.

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