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Naechtliches Schweigen

Naechtliches Schweigen

Titel: Naechtliches Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
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retten können.«
    »Da kann ich dich beruhigen.« Lou stellte sein Glas ab und sah sie fest an. Sie sollte ihn jetzt als Cop, als offiziellen Vertreter des Polizeiapparates betrachten. »In dieser Nacht waren zwei Männer im Zimmer deines Bruders. Das Kindermädchen hat ausgesagt, sie habe zwei Männer flüstern gehört. Die Untersuchungen haben ergeben, dass die Spritze, die im Zimmer deines Bruders gefunden wurde, eine geringe Dosis eines Betäubungsmittels enthielt, die aber für ein Kind ausgereicht hätte. Zwischen dem Zeitpunkt, zu dem das Kindermädchen überwältigt wurde, und dem Moment, wo du gestürzt bist, liegen weniger als zwanzig Minuten. Es handelt sich um eine missglückte Entführung, Emma, die zwar tragische Folgen hatte, aber gut durchdacht war. Irgend etwas ist dazwischengekommen und hat die Pläne der Täter durcheinandergebracht. Was, das werden wir vielleicht nie erfahren. Aber wenn du in das Zimmer gegangen wärst und versucht hättest, alleine mit den Kerlen fertigzuwerden, dann hättest du Darren auch nicht retten können, sondern wärst aller Wahrscheinlichkeit nach selbst getötet worden.«
    Sie hoffte, betete, er möge recht haben, obgleich seine Worte sie nur wenig trösteten. Als sie sich eine Stunde später verabschiedete, schwor sie sich, ihm Glauben zu schenken.
    »Du hast großes Glück mit deinen Eltern«, meinte sie zu Michael, der sie zum Auto begleitete.
    »Ich hab' mich mittlerweile an sie gewöhnt.« Diesmal würde er nicht zulassen, dass sie wieder so schnell aus seinem Leben verschwand. An jenem Tag am Strand - war das wirklich schon fünf Jahre her? - hatte sie schön ausgesehen, schön und traurig zugleich. Irgend etwas an ihr hatte ihn damals berührt und tat es heute auch noch.
    »Wie lange bleibst du noch in der Stadt?«
    Emma blickte die Straße entlang. Die Gegend gefiel ihr. Kinder spielten ein paar Häuser weiter im Vorgarten, und aus der Ferne klang das Summen eines anderen Rasenmähers. Versonnen fragte sie sich, wie es wohl wäre, hier zu leben. »Ich fliege morgen nach Hause.«
    Fast hätte er laut geflucht. »Das war aber ein kurzes Vergnügen.«
    »Ich hab' am Montag wieder Kurse.« Sie sah ihn an und fühlte sich plötzlich genauso linkisch wie er. Er war attraktiver, als sie ihn in Erinnerung hatte - die kleine Zahnlücke, die leicht gekrümmte Nase. »Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit.«
    »Und was machst du jetzt?«
    »Ich - ich wollte ein bisschen herumfahren. Hoch in die Berge.«
    Er verstand, doch der Gedanke verursachte ihm Unbehagen. »Wie wär's mit Begleitung?«
    Sie war schon im Begriff, das Angebot höflich abzulehnen, doch dann hörte sie sich sagen: »Ich würde mich freuen.«
    »Dauert nur eine Minute.« Weg war er, ehe sie ihre Meinung ändern konnte. Er verschwand im Haus, kam kurz darauf wieder und ließ sich aufatmend auf den Beifahrersitz fallen. »Du hast mir eine weitere Stunde Fronarbeit erspart. Dad hält es nie im Leben durch zu warten, bis ich wieder da bin.«
    »Stets zu Diensten.«
    Eine Weile fuhr sie ziellos umher, genoss den Fahrtwind in ihren Haaren, die Musik aus dem Radio, die ungezwungene Unterhaltung. Als die klare Stimme ihres Vaters aus den Lautsprechern klang, kräuselte sie die Lippen.
    »Ist das nicht ein komisches Gefühl?«
    »Ihn zu hören?« Ihr Lächeln verstärkte sich. »Nein, gar nicht. Ich kannte seine Stimme schon, ehe ich ihn selber kannte. Wenn man an Papa denkt, denkt man an Musik. Bei dir ist es doch genauso. Dein Vater ist ein Cop. Ich bin überzeugt, dass du ihn dir ohne Waffe oder Dienstmarke gar nicht vorstellen kannst.«
    »So ungefähr. Trotzdem fand ich es anfangs seltsam, für ihn zu arbeiten.«
    »Für ihn arbeiten?«
    »Ja, ich hab' letztendlich klein beigegeben. Ich bin in die Fußstapfen des alten Herrn getreten.«

18
    »Du bist ein Cop?« Emma hielt an einem Stoppschild und nutzte die Gelegenheit, ihn prüfend zu betrachten. »Ein Grünschnabel, wie mein Vater zu sagen beliebt.« Er grinste sie an. »Was ist los? Sind mir plötzlich Hörner gewachsen?«
    »Nein. Bloß - wenn ich an dich gedacht habe, dann nie als an einen Cop.«
    »Das ist doch schon mal was. Ich hätte nie zu träumen gewagt, dass du überhaupt an mich denkst.«
    Emma lachte. »Natürlich habe ich das getan. Als damals unser Bild in der Zeitung erschien, war ich wochenlang das beliebteste Mädchen der Schule. Ich hab' allerdings die ganze Geschichte ein bisschen zu meinen Gunsten abgewandelt.«
    »Ich auch.« Michael

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