Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nahkampf der Giganten

Nahkampf der Giganten

Titel: Nahkampf der Giganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
kampffähig sind, haben kaum mehr Munition.«
    Bolitho zog sein Taschenteleskop aus und spähte über die Barrikade. Vor dem aufblitzenden Mündungsfeuer konnte er die Gefallenen und Verwundeten mit den leuchtend weißen Brustriemen liegen sehen, die jeden Meter des Rückzugs kennzeichneten. Hier und da hob einer den Arm, und einmal hörte er während einer kurzen Feuerpause den halberstickten Ruf nach Wasser.
    Er dachte an das provisorische Lazarett am Hafen. Da hatten sich ihre Blicke ein paar Sekunden lang über die gebeugten Köpfe und ausgestreckten Leiber hinweg gefunden. Bolitho hatte dem dienstältesten Feldscher gesagt, was er vorhatte, aber dabei nur zu dem Mädchen hinübergeblickt. Der Sanitäter hatte ihn erst ziemlich ungläubig gemustert, doch als eben wieder ein Verwundeter we ggetragen wurde, sagte er müde: »Wir werden sie an Bord bringen, Captain, und wenn wir sie auf den Rücken nehmen und schwi mmen müssen!«
    Bolitho war mit Cheney in einen kleinen Nebenraum getreten, der einmal so etwas wie ein Kindergarten gewesen sein mußte. Haufenweise lagen verschmutzte Verbände und zerfetzte Uniformen herum. Die Wände waren mit primitiven Bildern bedeckt, gemalt von Kindern, die jetzt in der belagerten Stadt eingeschlossen und vom Tod bedroht waren.
    »Ich wußte, daß du kommen würdest, Richard«, hatte sie gesagt, »ich wußte es ganz sicher!«
    Er hatte sie an seine Brust gezogen und ihre Verkrampfung gespürt, die plötzliche Schwere ihres Kopfes an seiner Schulter. »Du bist ja völlig erschöpft! Du hättest mit der
Vanessa
segeln sollen.«
    »Ich konnte unmöglich weg, bevor du zurückkamst, Richard.«
    Sie hob das Kinn und blickte ihm lange ins Gesicht. »Jetzt geht es mir wieder besser.«
    Draußen vor dem Haus vibrierte die Luft vor Artilleriefeuer und den Rufen rennender Männer. Aber in diesen we nigen Sekunden waren sie miteinander allein gewesen, weit weg von der bitteren Wirklichkeit und allem Leid um sie herum.
    Sanft löste er ihre Hände von seinen Rockaufschlägen. »Matrosen des Geschwaders werden sehr bald eintreffen. Alles wird getan, um St. Clar zu evakuieren. Bitte sag mir, daß du mitfahren wirst.« Forschend blickte er ihr ins Gesicht. »Nur das will ich wissen.«
    Langsam nickte sie. »Alle sagen, daß die Evakuierung dein Werk ist, Richard. Sie reden von nichts anderem. Daß du entgegen dem Befehl zurückgekommen bist, um uns zu helfen.« Tränen glänzten in ihren Augen. »Ich bin froh, daß ich geblieben bin – jetzt habe ich gesehen, wie du wirklich bist.«
    »Wir stecken alle miteinander bis zum Hals in dieser Geschichte. Ich konnte gar nicht anders.«
    Sie schüttelte den Kopf; und diese Bewegung war ihm in der Erinnerung besonders teuer. »Du magst es so nennen, Richard, aber ich kenne dich besser, als du denkst. Sir Edmund hat überhaupt nichts getan, alle anderen haben nur abgewartet, und inzwischen sind viele Menschen sinnlos umgekommen.«
    »Sei nicht zu hart mit dem Admiral.« Seine Worte kamen ihm selbst seltsam vor, als hätte er in diesen Stunden gelernt, Pomfret mit ganz anderen Augen zu sehen und ihn sogar ein wenig zu verstehen. »Er und ich wollten dasselbe. Nur unsere Motive waren verschieden.«
    Da erschienen auch schon die ersten Matrosen im Lazarett. In ihren sauberen, karierten Hemden, mit ihrem zielstrebigen Zupacken wirkten sie an diesem Ort der Verzweiflung und des Todes wie Fremde.
    Noch jetzt, als er hinter dieser elenden Barrikade hockte, stand ihm ihr Bild deutlich vor Augen: eine schmale, trotzige Gestalt inmitten der Ernte des Krieges; sie hatte sogar ein Lächeln zustande gebracht, als er aufgesessen war.
    Ein Soldat stieß einen schrillen Schrei aus, stürzte rücklings von der niedrigen Mauer und fiel kopfüber neben seinem Kameraden zu Boden. Doch der wandte nicht einmal den Kopf, sondern lud und schoß. Der Tod war etwas Selbstverständliches geworden – man kümmerte sich nicht mehr darum. Überleben war nur noch eine vage Möglichkeit.
    Bolitho wandte sich um. Dort hinter ihm war die Brücke, und unter jenem Streifen Erde und verbranntem Gras lag der Fluß. Er entschloß sich. »Haben Sie die Sprengladungen gelegt, Leutnant?«
    Der Offizier nickte erleichtert.
    »Gut. Dann ziehen Sie sich über den Fluß zurück, und sprengen Sie die Brücke.«
    Plötzlich vernahm man das Klirren von Zaumzeug. Bolitho fuhr herum und erblickte den spanischen Oberst, der gelassen auf dem schmalen Weg dahintrabte. Hinter ihm ritten die Reste seiner

Weitere Kostenlose Bücher