Nahkampf der Giganten
erwartete er einen Einwand, aber Dash nickte bloß und murmelte: »Wird sofort erledigt.«
Bolitho sah ihm nach, als er hinausging. Mein Gott, dachte er müde, der ist froh, daß er hier weg kann.
Dann vergaß er Dash, als Labouret leise fragte: »Was soll ich meinen Leuten sagen,
capitaine?
Wie kann ich ihnen noch ins Gesicht sehen?« Offenbar wußte er, was in Pomfrets Order stand, oder er konnte es sich denken.
Bolitho sah ihn an. »Bis Sie festgestellt haben, wie viele Ihrer Mitbürger die Stadt mit uns verlassen wollen, werden wir mit der Einschiffung der Verwundeten fertig sein,
monsieur.«
Er sah, wie die Lippen des Franzosen zitterten, und fuhr rasch fort: »Alle, die wegwollen, fahren mit. Ich kann Ihnen nicht viel versprechen, mein Freund, aber wenigstens werden sie ihres Lebens sicher sein.«
Sekundenlang starrte Labouret ihn an, als wolle er ein Geheimnis enträtseln. Dann erwiderte er erstickt: »Das werden wir Ihnen nie vergessen,
capitaine
! Niemals!« Damit ging er.
Dann fuhr Bolitho fort: »Die
Harvester
wird bald einlaufen, sie hat die Sträflinge an Bord. Auch die müssen auf die beiden Transporter verteilt werden.«
Jetzt fuhr der spanische Oberst aus seinem Sessel auf. »Was reden Sie da? Verwundete und elende Bauern und obendrein noch Sträflinge? Was aber wird aus meinen Pferden,
capitano
? Wie kann ich die auf zwei Schiffen unterbringen?«
Zögernd schloß sich der Infanteriehauptmann seiner Frage an: »Und die Geschütze, Sir?«
Bolitho blickte durch die offene Tür. Eben führte ein Seesoldat Allday die Treppe hinauf zu Pomfrets Zimmer. »Die müssen eben hierbleiben, meine Herren«, erwiderte er kühl. »Zuerst kommen die Menschen.« Sie starrten ihn an, doch er blickte ihnen in die Augen, bis sie wegsahen. »Dieses eine Mal kommen die Menschen zuerst.«
Der Oberst stand auf und ging zur Tür. Heiser sagte er über die Schulter zurück: »Ich halte Sie für einen Narren,
capitano.
Aber einen tapferen Narren.«
Als draußen sein Pferd hinweggetrabt war, sagte Bolitho: »Jetzt zeigen Sie mir unsere Infanteriestellungen. Diese Operation muß absolut glatt und ohne Panik ablaufen, wenn sie klappen soll.«
Eine halbe Stunde später gingen sie, alle außer Ashby. Bolitho fühlte sich völlig ausgelaugt. »Nun, Ashby, haben Sie noch Fragen?«
Ashby zog sich den Uniformrock glatt und rückte an seinem Koppel. Dann sagte er: »Ich hatte noch keine Zeit, es Ihnen zu sagen, Sir. Aber Miss Seton ist noch hier in St. Clar.«
»Was?« Bolitho starrte ihn entsetzt an.
»Ich habe versucht, sie an Bord der
Vanessa
zu bringen, Sir«, erklärte Ashby mit unglücklicher Miene. »Aber sie wollte unbedingt bleiben. Sie hilft im Lazarett.« Seine Augen glänzten in dem staubigen Sonnenlicht. »Sie ist ein Beispiel und Vorbild für alle, Sir.«
»Danke, Ashby«, entgegnete Bolitho ruhig. »Ich werde selbst mit ihr sprechen.« Er nahm seinen Hut und trat hinaus auf die Straße, in das Krachen des Artilleriebeschusses.
Einer von vielen
Bolitho brachte sein geliehenes Pferd hinter einer Steinhütte in Deckung und sprang aus dem Sattel. Ashby, der den ganzen Nachmittag bei ihm gewesen war, saß ebenfalls ab und lehnte sich an die Mauer. Sein Atem ging schwer vor Erschöpfung.
Es war erst später Nachmittag, und doch konnte man glauben, die Nacht bräche herein, so dick war der ziehende Qualm. In der wachsenden Dämmerung schien die Stadt von einem geschlossenen Ring aus dem Mündungsfeuer der Kanonen und Musketen umgeben. Ashby deutete auf das bleiche Band der Landstraße. »Weiter können wir nicht vorgehen, Sir«, sagte er. »Hundert Yards vor uns sind die Franzosen.«
Bolitho duckte sich hinter einer primitiven Barrikade aus Wagen und sandgefüllten Fässern. Er konnte die verstreute Linie der So ldaten sehen, die sich nach rechts und links erstreckte. Mit langsamen, regelmäßigen Bewegungen luden sie und feuerten in Richtung auf die Landstraße. Dunkel hoben sich ihre roten Uniformröcke von dem staubigen Geröll ab.
Ein junger Leutnant kroch hinter einem umgestürzten Bauernwagen hervor und kam zu Bolitho gerannt. Wie seine Männer war er schmutzig und abgerissen, doch seine Stimme klang ruhig, als er, auf die tief verschatteten Hügel deutend, die Lage erläuterte: »Wir mußten in der letzten Stunde etwa fünfzig Yards zurückgehen, Sir.« Er duckte sich vor einer Musketenkugel. »Viel länger kann ich mich hier nicht halten. Ich habe die Hälfte meiner Männer verloren, und die noch
Weitere Kostenlose Bücher