Namibische Nächte (German Edition)
herauskam. »Ich dachte schon, du wärst zu den Wilden übergelaufen, als ich dich sah.«
»Zu den Wilden?« Vanessa dachte an N!xau. Nein, sie hätte ihn nie als Wilden bezeichnet. »Du meinst die Einwohner dieses Landes?«
»Mein Gott, sind wir politisch korrekt heute«, grinste Steffen gönnerhaft. »Du sahst eben noch aus wie die Frau von Tarzan, das musst du zugeben.«
Ja, Kian wäre locker als Tarzan durchgegangen, dachte sie. »Kian wurde von Wilderern angeschossen«, erwiderte sie kühl. »Ich hatte keine Zeit, auf mein Styling zu achten.«
»Wilderer?« Seine Augen öffneten sich überrascht. »Du kannst die verklagen«, fuhr er fast ohne Unterbrechung fort. »Wie können die eine Touristin einer solchen Gefahr aussetzen? Das ist ein Minderungsgrund. Melde das am besten sofort dem Reisebüro. Die müssen dir das Geld erstatten. Und vielleicht kannst du auch noch Schadensersatz rausschlagen. Lebensgefahr stand bestimmt nicht im Reiseprospekt.«
»Ich bin nicht angeschossen worden«, sagte Vanessa.
»Nicht?« Er schaute auf die Schramme an ihrer Stirn.
»Wäre dir das lieber?«, fragte sie. »Und im Übrigen: Ich brauche keinen juristischen Rat. Den kannst du dir für deine Mandanten aufheben.«
Er zuckte die Schultern. »Wozu bin ich Anwalt? Und du willst die doch wohl nicht ungestraft davonkommen lassen? Bei allem, was du durchgemacht hast?«
»Das war nicht geplant«, sagte sie. »Daran ist niemand schuld außer den Wilderern.« Sie verzog spöttisch einen Mundwinkel. »Und du willst mir ja wohl nicht vorschlagen, die zu verklagen.«
»Wenn du meinst«, sagte er. »Ich wollte nur helfen.« Er wirkte beleidigt.
Sie schaute ihn an. Nein, er passte nicht nach Afrika. Er gehörte in einen Anzug, hinter einen Schreibtisch, in eine Robe vor Gericht. Was für ein Unterschied zu Kian.
»Ich gehe«, sagte sie. »Vielen Dank für die Sachen. Ich bringe sie zurück, sobald ich mich umgezogen habe.«
»Hat keine Eile.« Seine Mundwinkel zuckten. »Du siehst . . . anders aus als sonst.« Sein Blick wanderte über ihre Gestalt. Er kam auf sie zu. »Irgendwie . . . wild.« Seine Lippen verzogen sich noch mehr. »Aufregend.« Er beugte sich zu ihr und versuchte, sie zu küssen.
Sie wich schnell einen Schritt zurück. »Geht’s dir noch gut?« Ihre dunklen Augenbrauen zogen sich zusammen.
»Wieso?« Sein Blick wirkte beinah unschuldig. »Du bist fast erschossen worden. Auch wenn du das abstreitest. Hat das deinen Adrenalinspiegel nicht in die Höhe getrieben?« Er grinste. »Ich wüsste einen guten Weg, das abzubauen.«
»Mit Sex, meinst du?« Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Du hast sie ja nicht alle.«
»Ist schon eine Weile her. Ich habe mir vorgestellt, dass wir die Zeit nachholen. Hier, wo wir nichts anderes zu tun haben.« Er drückte sie mit seinem Körper gegen die Wand, aber seine Lippen trafen nur ihre Wange, weil sie den Kopf wegdrehte.
»Lass mich sofort los! Oder du wirst es bereuen!« Sie zog ihr Knie an.
»Ho-ho!« Er lachte, trat einen Schritt zurück und hob die Hände. »Ich glaube, du hast den Löwen fertiggemacht. Der arme Kerl.«
Sie drehte sich von der Wand zur Tür und öffnete sie. »Dann wäre ich an deiner Stelle vorsichtig«, entgegnete sie kalt. »Glaub mir, du bist kein Löwe.«
Mit einem letzten, abschätzigen Blick auf ihn ging sie hinaus.
16
» W illst du etwas essen?«
Vanessa schaute Isolde überrascht an, die ihr entgegengekommen war, als sie das Haus betrat. »Nein, ich wollte eigentlich – Was ist mit Kian?« Er lag nicht mehr in der Diele. Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. »Ist er –?« Fast setzte ihr Atem aus.
»Den Umständen entsprechend geht es ihm gut«, sagte Isolde. »Vaanda ist Gold wert. Auch wenn Kian das immer bestreitet. Aber im Moment kann er sich ja nicht wehren.« Sie lächelte.
Vanessa konnte es nicht glauben. Was für eine Ehefrau war Isolde? Zum Kindermachen war ihr Kian gut genug, aber ansonsten interessierte er sie nicht? »Wo . . . wo ist er?«, fragte sie mühsam beherrscht. »Kann ich zu ihm?«
»Zuerst einmal solltest du etwas essen«, erwiderte Isolde. »Er ist sowieso nicht bei Bewusstsein. Vaanda hat ihn mit ihren Tränken und Kräutern in eine Art Koma versetzt. Wir warten jetzt auf den Arzt aus Windhoek. Sie nehmen ihn dann mit ins Krankenhaus.«
»Nach Windhoek?«
»Ja.« Isolde nickte. »Und jetzt bestehe ich darauf, dass du etwas isst. Du siehst so abgezehrt aus, als hättest du tagelang nichts gehabt. Hat
Weitere Kostenlose Bücher