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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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stark. Indes suchte sie ihre Herrin zu entschuldigen. Die Laune für den Komödianten werde gewiß nicht lange dauern. Die beiden Herren entfernten sich, ohne ein Wort zu sagen. Auf der Straße reichten sie einander die Hände, gleichsam von einem gemeinschaftlichen Leid bewegt. Dann gingen sie langsam ihrer Wege, jeder in einer anderen Richtung.
    Als Muffat in sein Haus zurückkehrte, war seine Gemahlin eben angekommen. Sie begegneten einander auf der großen Treppe, von deren dunklen Wänden eine eisige Kälte auszuströmen schien. Sie blickten einander an. Sie sah den Grafen mit seinen beschmutzten Kleidern und dem entstellten Gesicht eines von den Ausschweifungen Heimkehrenden. Die Gräfin war, wie gebrochen von einer nächtlichen Eisenbahnfahrt, nachlässig frisiert. Ihre Augenlider fielen vor Ermüdung zu; sie stieg wie im Schlafe die Stufen der Treppe empor.
     

Achtes Kapitel.
     
    Nana und Fontan hatten einige Freunde zu einem fröhlichen Abendessen in ihrem neuen Hauswesen eingeladen. Es war dies im vierten Stockwerk eines Hauses der Véron-Straße in Montmartre.
    Die Sache war ohne vorherige Verabredung eines gemeinschaftlichen Haushaltes in der ersten Freude der Honigwoche geschehen. Am Tage, da sie ihre Verehrer hinausgeworfen hatte, sah Nana, daß alles um sie her zusammenbrach. Mit einem Blick übersah sie die Lage; die Gläubiger drängten sich in ihrem Vorzimmer und mengten sich in ihre Herzensangelegenheiten. Sie sprachen davon, alles versteigern zu lassen, wenn sie nicht vernünftig sein wolle. Um alle Zänkereien wegen der paar Scherben ein Ende zu machen, beschloß sie, ihnen alles zu überlassen. Überdies war ihr die Wohnung am Boulevard Haußmann mit ihren großen vergoldeten Zimmern zuwider. In ihrer Zärtlichkeitsanwandlung für Fontan träumte sie von einem hellen, kleinen hübschen Zimmerchen, ganz wie in den Zeiten, da sie noch Blumenmacherin war und ihre Wünsche nicht über einen Schrein mit Spiegeltüren und über ein Bett mit blauen Ripsvorhängen hinausgingen.
    Sie verkaufte binnen zwei Tagen im geheimen, was sie an Schmuck und kleineren Wertsachen hinausschaffen konnte, dann verschwand sie mit einer Summe von zehntausend Franken in der Tasche spurlos, ohne der Hausmeisterin ein Wort zu sagen. Die Männer würden sich nicht mehr an ihre Röcke hängen. Fontan benahm sich sehr artig, er ließ sie nach ihrem Belieben schalten. Er handelte sogar als guter Kamerad, indem er ihren zehntausend Franken jene siebentausend hinzufügte, die er sich erspart hatte. So mieteten sie zwei Zimmer in Véron-Straße und lebten von ihrer Barschaft.
    Anfangs ging alles prächtig. Es war am Abend der heiligen drei Könige, als sie ihre Freunde zu Gaste luden. Madame Lerat traf mit Ludwig als erste ein. Da Fontan noch nicht zu Hause war, erlaubte sich die Tante, Befürchtungen hinsichtlich der Zukunft auszudrücken.
    Oh, Tante! Ich liebe ihn so sehr! rief Nana, die Hände an die Brust drückend.
    Das Wort machte einen ganz außerordentlichen Eindruck auf die Lerat. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    Die Liebe geht über alles, sagte sie im Tone der Überzeugung.
    Dann erging sie sich in Lobpreisungen über die neue Wohnung. Nana zeigte ihr das Schlafzimmer, dann das Speisezimmer und zuletzt die Küche. Die Wohnung sei nicht groß, aber sehr freundlich mit ihrer neuen Tünche und den Tapeten.
    Madame Lerat blieb mit Nana im Zimmer, während Ludwig in der Küche der Haushälterin zusah, wie sie das Huhn briet. Die Lerat sagte, sie wolle auf die Vergangenheit nur zurückkommen, weil sie am Morgen den Besuch Zoés empfangen hatte. Die Kammerfrau hatte aus Ergebenheit für Madame auf ihren Posten ausgehalten, um dem Rückzug nach Möglichkeit einen Schein der Anständigkeit zu geben. Zoé war nicht beunruhigt wegen des rückständigen Lohnes, den sie von Madame zu fordern hatte. Madame werde sie schon bezahlen. Sie hielt allen Gläubigern stand und sagte, Madame sei verreist; eine Adresse war von ihr nicht herauszubringen. Um die Manichäer nicht auf die Spur zu bringen, versagte sie sich sogar das Vergnügen, Madame zu besuchen. Wenn sie heute früh zu Madame Lerat geeilt sei, so geschah dies nur, weil sich etwas Neues ereignet habe. Abends vorher waren mehrere Gläubiger erschienen: der Tapezierer, der Kohlenhändler, die Wäschelieferantin machten sich erbötig zu warten; sie wollten sogar Madame eine beträchtliche Summe vorstrecken, wenn sie ihre Wohnung wieder beziehen und vernünftig sein wolle.

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