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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Fenster und schrie: Da wollen wir doch einmal sehen, wie er auf der Straße den Kopf hängen läßt! Die beiden Mädchen stützten nun, hinter den Vorhängen verborgen, die Ellbogen auf das Fenstergesims. Es schlug ein Uhr nachts. In der stillen Villiers-Allee zog sich die Doppelreihe von Gaslaternen dahin im Dunkel dieser feuchten Märznacht, durch die ein kalter, regennasser Wind dahinfegte: weiter hinaus zogen sich langgestreckte Flächen in unbestimmter Dunkelheit dahin; hie und da sah man die Gerüste von Neubauten unter dem schwarzen Nachthimmel. Jetzt tauchte Muffat auf der Straße auf; traurig und langsam schlich er über das nasse Pflaster und verlor sich allmählich in der Ferne. Satin lachte über seinen Anblick, doch Nana hieß sie schweigen und sagte:
    Nimm dich in acht, die Polizei kommt.
    Da unterdrückten beide ihr Gelächter und blickten mit heimlicher Furcht auf die andere Seite der Allee, wo sie zwei schwarze Gestalten in gleichmäßigem Schritt vorüberkommen sahen. Nana hatte inmitten ihres königlichen Luxus die Angst vor der Polizei noch immer nicht abgestreift; sie hörte nicht gerne davon sprechen, so wenig wie vom Tode. Sie fühlte sich schon unwohl, wenn ein Polizeimann nur das Auge auf ihr Haus richtete; man wisse niemals, woran man mit diesen Leuten sei. Es könnte leicht geschehen, daß sie die beiden Mädchen, wenn sie sie zu so später Nachtstunde lachen hörten, für gewöhnliche Dirnen hielten. Satin schmiegte sich bebend an Nana. Sie blieb indes am Fenster; es interessierte sie eine herannahende Laterne, deren flackerndes Licht die Lachen der Straße beleuchtete. Es war eine alte Lumpensammlerin, die in der Gosse herumwühlte. Satin erkannte sie.
    Schau, die Königin Pomare mit ihrem Weidenkorbe.
    Während ein Windstoß ihnen einen feinen Regen ins Gesicht trieb, erzählte sie ihrer geliebten Freundin die Geschichte der Königin Pomare. Sie war einst ein herrliches Mädchen, dessen Schönheit ganz Paris entzückte. Wie sie die Männer zu nehmen wußte! Die höchstgestellten Herren weinten zu ihren Füßen ... Jetzt betrinkt sie sich; die Mädchen des Stadtviertels geben ihr, um sich zu unterhalten, Absynth zu trinken; dann machen sich die Straßenbuben hinter ihr her und verfolgen sie mit Steinwürfen. Eine Königin, die in den Morast gefallen. Nana hörte diese Geschichte kühl an.
    Du sollst gleich sehen, sagte Satin.
    Und sie pfiff wie ein Mann.
    Die Lumpensammlerin, die jetzt eben unter dem Fenster stand, hob den Kopf in die Höhe und zeigte sich in dem gelben Lichte der Gaslaterne. Inmitten eines Haufens von Lumpen, eines zerfetzten Tuches, sah man ein blaues, verwittertes Gesicht mit dem breiten, zahnlosen Munde. Bei dem Anblicke dieses abscheulichen Alters einer in der Trunkenheit versinkenden Dirne erinnerte sich Nana plötzlich der Vision von Chamont, der Irma d'Anglars, der ehemaligen Dirne, jetzt reich an Jahren und Ehren, getragen von der Achtung eines ganzen Dorfes, die Stufen ihres stolzen Schlosses emporsteigend.
    Da Satin noch immer pfiff und die Alte da unten lachte, die nicht wußte, woher das Pfeifen kam, flüsterte Nana:
    So hör' doch auf; die Polizisten kommen zurück. Wir wollen ins Zimmer, mein Kätzchen.
    Die gleichmäßigen Schritte kamen wieder, und die Mädchen beeilten sich, das Fenster zu schließen. Als Nana fröstelnd und mit durchnäßtem Haar sich umwandte, stand sie einen Augenblick betroffen bei dem Anblick ihres Salons, als ob sie die Gegenwart gänzlich vergessen habe und sich jetzt an einem unbekannten Orte befinde. Es war so warm, so wohlduftend, daß sie eine glückliche Überraschung empfand. Die hier aufgehäuften Reichtümer, die antiken Möbel, die Seiden- und Goldstoffe, die Elfenbeingegenstände, die Bronzen schwammen im rosigen Lichte der Lampe, während man diesem stillen Hause den großen Luxus, die Feierlichkeit der Empfangssäle, die bequeme Geräumigkeit des Speisesaales, die stille Ruhe des Vorraumes und der Treppe mit ihren einladenden, weichen Möbeln schon von außen ansah. Es war ein plötzlich auftauchendes Gefühl der Zufriedenheit mit sich selbst, mit ihrem Bedürfnisse, zu herrschen und zu genießen, mit ihrem Verlangen, alles zu besitzen und alles zu zerstören. Nie hatte sie die Macht ihres Geschlechtes so tief empfunden. Sie blickte langsam um sich und sagte dann im Tone ernster Weisheit:
    Man tut wahrhaftig recht, wenn man seine Jugend ausnutzt, solange es geht ...
    Inzwischen wälzte sich Satin schon auf den

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