Nana
schloß mit einem großen Trio. In diesem Augenblicke erschien in der Vorbühnenloge Lucy Steewarts eine Türschließerin und warf zwei große Blumensträuße auf die Bühne. Das Publikum klatschte; Nana und Mignon dankten, während Prullière die Sträuße aufhob. Ein Teil der Besucher des Orchesters wandte sich lächelnd nach der Loge, in der Steiner und Mignon saßen. Dem Bankier war alles Blut zu Kopfe gestiegen; sein Kinn zuckte krampfhaft, als ob ihm der Atem stocke.
Die folgende Szene gab den Zuschauern den Rest. Diana entfernte sich wütend, und Venus, auf einer Moosbank sitzend, rief Mars zu sich. Noch nie hatte man es gewagt, eine verführerischere Szene zu spielen. Nana hatte eben den Hals Prullières umschlungen, um ihn an sich zu ziehen, als Fontan, mit allen Zeichen der Wut eines betrogenen Gatten, der sein Weib auf frischer Tat ertappt, im Hintergrunde der Grotte erschien. Er hielt das berühmte Netz mit den eisernen Maschen in der Hand. Er schwang es eine Weile in der Hand wie der Fischer die Angelschnur, dann wurden Venus und Mars durch einen geschickten Wurf in der Falle gefangen. Das Netz umhüllte sie; sie saßen unbeweglich darin, in der Stellung eines glücklichen Liebespaares.
Ein Gemurmel stieg empor gleich einem einzigen tiefen Seufzer. Einige Leute klatschten; alle richteten ihre Operngläser auf Venus. Nach und nach hatte Nana von dem Publikum Besitz ergriffen, und jetzt unterlagen ihr alle Männer. Die Brunst, die von ihr ausströmte wie von einem wilden Tier, verbreitete sich immer mehr und erfüllte allmählich den ganzen Saal. Ihre geringste Bewegung erweckte in diesem Augenblick das Verlangen; mit dem Rühren ihres kleinen Fingers wirkte sie auf die Sinne. Einzelne Rücken krümmten sich und zitterten, als führen unsichtbare Bogen über die Muskeln; auf einzelnen Nacken flatterten die Härchen wie unter einem warmen, schwankenden Hauche, der aus einem Frauenmunde – man wußte nicht aus welchem – kam. Fauchery sah, wie der Schulknabe an der Seite Daguenets durch die Leidenschaft von seinem Sitze emporgetrieben wurde. Fauchery blickte noch weiter im Saale umher. Vandeuvres saß bleich mit zusammengepreßten Lippen da; der dicke Steiner war rot, daß man jeden Augenblick einen Schlaganfall erwarten mußte; Labordette schaute mit der Miene eines Roßmaklers, der eine prachtvolle Stute bewundert; Daguenets Ohren glühten und bebten von Wohlbehagen. Dann wandte der Journalist sich nach der Loge der gräflichen Familie Muffat. Was er hier sah, versetzte ihn in das höchste Staunen. Hinter der Gräfin, die bleich und ernst dasaß, richtete die Gestalt des Grafen sich in die Höhe; er starrte gierig auf die Szene, mit roten Flecken im bleichen Gesicht. Neben ihm im Schatten stand der Marquis Chouard, dessen trübe Augen jetzt leuchteten und sprühten wie die einer Katze. Die Leute im Saale erstickten fast; dicke Schweißtropfen perlten von den Stirnen. Der seit drei Stunden ausgehauchte Atem der Menge hatte die Luft mit einem Menschengeruch erfüllt. Oberhalb des Kronleuchters hatte der Staub sich in dicken Schichten gelagert. Der ganze Saal war erregt und erschöpft, von einem Zauber befangen, von jenem Verlangen erfüllt, das in stiller Mitternachtsstunde die Insassen der Schlafstuben bewegt. Angesichts dieser fünfzehnhundert unterjochten, am Schlusse des nervenspannenden Schauspiels erschöpften Menschen stand Nana siegreich da in der Macht ihres Marmorleibes, in der Macht ihres Geschlechtes, das sich stark genug fühlt, diese ganze Welt in Trümmer zu stürzen und inmitten des allgemeinen Verderbens aufrecht zu bleiben.
Das Stück ging zu Ende. Auf das Triumphgeschrei Vulkans zog der ganze Olymp an dem Liebespaare vorbei, Rufe des Staunens und der Schadenfreude ausstoßend. Jupiter sagte: Mein Sohn, es ist ziemlich leichtfertig von dir, uns zu diesem Schauspiele zu rufen. Dann trat ein Umschlag in der Stimmung zugunsten der Venus ein. Der Chor der Hahnreie, abermals durch Iris eingeführt, bat den höchsten Gott, der Untersuchung keine weiteren Folgen zu geben. Seitdem die Frauen zu Hause säßen, sei das Leben für die Männer unerträglich. Sie wollten lieber betrogen und dabei zufrieden sein. Das war die Moral der Komödie. Dann befreite man Venus, und Vulkan erhielt die Scheidung von Tisch und Bett. Mars hingegen machte mit Diana seinen Frieden. Jupiter, um in seiner Häuslichkeit die Ruhe herzustellen, versetzte die kleine Wäscherin in ein Sternbild. Amor endlich wurde aus
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