Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
habe es erraten. Er hat daran gedacht. Er wartet auf den Tod seiner Frau ... Ach, das ist das Höchste. Er ist ein noch größerer Schuft als die anderen.
    Muffat ließ sich alles gefallen. Er setzte nur noch seinen letzten Stolz darein, vor den Dienstleuten und den Freunden des Hauses als »der Herr« zu gelten. Er zahlte am meisten und war darum der öffentliche Liebhaber. Seine Leidenschaft wurde immer heftiger. Durch sein Geld hielt er sich aufrecht: er bezahlte alles, jedes Lächeln und erhielt doch nie soviel, wie er bezahlte. Doch es war wie eine Krankheit, die den Körper zerstört; sein Leiden war ihm ein Bedürfnis. Wenn er in Nanas Zimmer trat, begnügte er sich, das Fenster zu öffnen, um den Geruch der anderen hinauszulassen, die Ausdünstungen dieser blonden und braunen Männer, den scharfen Zigarrenduft, der ihn fast erstickte. Dieses Zimmer war ein Kreuzweg geworden. Fortwährend wurden Schuhe vor der Schwelle abgewischt, und keinen hielt der Blutfleck zurück, der den Eingang zu versperren schien. Zoé war gleichsam voreingenommen gegen diesen Fleck. Als reinliche Person ärgerte sie sich darüber, ihn immer wieder zu sehen. Sooft sie in Madames Zimmer kam, sagte sie:
    Der Fleck geht nicht heraus, es gehen doch so viele Leute darüber ...
    Nana, die günstige Nachrichten von Georges erhielt, der in Fondettes seiner Heilung entgegensah, pflegte zu erwidern:
    Ach, das braucht Zeit. Unter den Fußtritten wird der Fleck verschwinden ...
    In Wirklichkeit hatte jeder dieser Herren, Foucarmont, Steiner, La Faloise, Fauchery, etwas von diesem Fleck an der Sohle mitgenommen. Muffat, der gleich Zoé durch diesen Fleck gereizt war, beobachtete ihn fortwährend, um, je nachdem er allmählich blässer wurde, die Menge der Männer zu ermessen, die darauf getreten. Er empfand eine geheime Scheu gegen diesen Fleck und schritt jedesmal darüber hinweg, als ob er fürchte, etwas Lebendes, ein nacktes menschliches Glied, das am Boden lag, zu zertreten.
    In ihrem Zimmer wurde er von einem eigenen Zauber erfaßt. Er vergaß alles: die Menge der Männer, die durch dieses Zimmer zogen, die Trauer, die an der Schwelle Wache hielt. Draußen auf der Straße weinte er zuweilen vor Scham und Unwillen und schwur, nicht mehr zurückzukehren. Aber sobald die Türe sich hinter ihm schloß, war er wieder in ihrer Gewalt; er fühlte seine Kraft schwinden in der Wärme dieses Zimmers, das Fleisch durchdrungen von einem Parfüm, fortgerissen durch ein wollüstiges Verlangen nach Vernichtung. Er, der als Frommgläubiger an den Zauber der reichgeschmückten Kapellen gewöhnt war, versank hier in die gleichen Gefühle der Gläubigkeit wie im Gotteshause, wo er dem Taumel der Orgelklänge und des Weihrauchduftes erlag. Dieses Weib besaß ihn mit der eifersüchtigen Herrschsucht eines zürnenden Gottes, es konnte ihm versteinernde Angst einflößen; es gab ihm Sekunden des Entzückens für lange Stunden grausamen Leides, höllischer Erscheinungen und ewig schneidender Qualen. Es war das gleiche Gestammel, die gleichen Gebete, die gleiche Zerknirschung, vor allem die gleiche Demütigung einer verdammten Natur, zertreten im Schmutz des Ursprunges dieses Weibes. Seine Wünsche als Mann, die Bedürfnisse seiner Seele schienen aus einem unbekannten, dunklen Grunde seines Wesens aufzusteigen. Er überließ sich der Macht der Liebe und des Glaubens, deren doppelter Hebel die Welt aufrecht erhält. Und allem Widerstande seiner Vernunft zum Trotz geriet er in Nanas Zimmer in Verzückung; zitternd verschwand er in der Allmacht des Geschlechtes, so wie er sich in seiner Nichtigkeit fühlte vor dem Unbekannten des unermeßlichen Himmels.
    Wenn sie ihn so demütig sah, war Nanas tyrannischer Triumph vollständig. Es lag in ihren Instinkten, andere zu erniedrigen. Ihr genügte es nicht, die Dinge zu zerstören, sie mußte sie auch beschmutzen. Ihre so feinen Hände ließen scheußliche Spuren zurück und brachten alles zu völliger Auflösung, was sie vorher zertrümmerten. Und er, der Schwachsinnige, überließ sich diesem Spiele in der unbestimmten Erinnerung an die Heiligen, die vom Ungeziefer verzehrt wurden und ihre eigenen Exkremente aßen. Wenn sie ihn bei verschlossenen Türen in ihrem Zimmer hatte, bereitete sie sich den Genuß, den Mann in seiner Niedertracht zu sehen. Anfangs waren es harmlose Späße; sie gab ihm leichte Püffe und befahl ihm allerlei drolliges Zeug, ließ ihn stammeln wie ein kleines Kind und das Ende mancher Sätze

Weitere Kostenlose Bücher