Nana
rächte sie sich durch derbe Flüche gegen die Männer.
Diese Roheiten brachten die Kammerfrau zur Verzweiflung. Madame will die Manieren ihrer Herkunft nicht ablegen. Sie ging so weit, ihre Herrin zu bitten, daß sie sich mäßigen möge.
Ah, was! entgegnete Nana schroff. Die Männer sind Schweine und lieben diese Manieren.
Dann nahm sie ihre Prinzessinhaltung an, wie sie es nannte. Sie wollte sich in den Salon begeben, aber Zoé hielt sie zurück und geleitete die Herren in das Toilettezimmer. Das war besser.
Meine Herren, sagte Nana mit studierter Höflichkeit, ich bedauere, daß ich Sie warten lassen mußte.
Die beiden Herren grüßten und nahmen Platz. Ein Vorhang von gesticktem Tüll hielt den Raum im Halbdunkel. Es war dies das vornehmste Zimmer in der ganzen Wohnung, mit einem hellen Stoff überzogen, eingerichtet mit einem Toilettetisch aus Marmor, einem großen Spiegel, einem Liegestuhl und Sesseln von blauem Samt. Auf dem Toilettetisch standen die vielen Sträuße von Rosen, Veilchen, Hyazinthen und verbreiteten einen durchdringenden, starken Duft, während aus den Fläschchen ein scharfer Patschuliduft ausströmte.
Nana raffte ihren schlecht befestigten Frisiermantel zusammen und tat, als sei sie bei der Toilette überrascht worden.
Madame, sagte ernsten Tones der Graf Muffat, entschuldigen Sie unsere Zudringlichkeit ... Wir kommen mit einer Bitte ... Dieser Herr und ich, wir sind Mitglieder des Armenamtes von diesem Bezirk.
Der Marquis Chouard beeilte sich galant hinzuzufügen:
Als wir hörten, daß eine große Künstlerin in diesem Hause wohne, faßten wir den Entschluß, ihr unsere Armen besonders ans Herz zu legen. Das Talent geht immer mit der Mildtätigkeit.
Nana spielte die Bescheidene. Sie erwiderte diese Höflichkeit mit graziösem Kopfnicken und machte im stillen ihre Betrachtungen. Der Alte muß den anderen hergeführt haben ... Er hat gar zu spitzbübische Augen. Aber auch dem anderen ist nicht zu trauen; er hätte doch allein kommen können ... Sie werden sich wohl erst da getroffen haben.
Gewiß, meine Herren, Sie haben recht daran getan, bei mir vorzusprechen, sagte sie voll Herzlichkeit.
Die Klingel ertönte. Sie schreckte zusammen ... Wieder einer ... Und diese Zoé wird nicht müde zu öffnen.
Sie fuhr fort:
Man ist sehr glücklich, wenn man geben kann.
Sie war im Grunde geschmeichelt.
Ach, Madame, sagte der Marquis, wenn Sie wüßten, welches Elend ... Unser Bezirk, der noch zu den reichsten gehört, zählt mehr als dreitausend Arme. Sie können sich die Not nicht vorstellen. Hungernde Kinder, kranke Weiber, aller Hilfe entblößt, sterbend vor Kälte ...
Ach, die armen Leute! rief Nana gerührt aus.
Ihr Mitleid war so groß, daß Tränen in ihre schönen Augen traten. In einer ungezwungenen Bewegung hatte sie sich vorgeneigt, wobei der Frisiermantel sich öffnete und ihren Hals sehen ließ, während ihre ausgestreckten Knie unter dem feinen Stoffe die Rundung ihrer Schenkel abzeichneten. Auf den fahlen Wangen des Marquis erschien ein blutroter Fleck. Der Graf Muffat, der eben im Begriffe war, das Wort zu ergreifen, senkte die Blicke zu Boden.
Es war sehr heiß in dem Zimmer; eine dumpfe Treibhausschwüle herrschte darin; der Duft der welkenden Rosen und des Patschuli vermischte sich.
Bei solchen Gelegenheiten möchte man sehr reich sein, fügte Nana hinzu. Schließlich tut jeder, soviel er kann. Wenn ich übrigens gewußt hätte, meine Herren ...
In ihrer tiefen Rührung war sie im Begriffe, eine Dummheit zu reden. Sie ließ den Satz unvollendet. Jetzt war sie in Verlegenheit, weil sie sich nicht erinnerte, wohin sie ihre fünfzig Franken getan, als sie ihr Kleid ablegte. Endlich fiel ihr ein, daß das Geld in einer Ecke des Toilettetisches unter einem umgestürzten Pomadetiegel liegen müsse. Als sie sich erhob, um das Geld zu holen, wurde stürmisch geläutet. Wieder einer! Das nimmt kein Ende! ... Der Graf und der Marquis hatten sich ebenfalls erhoben; letzterer spitzte die Ohren nach der Tür; ohne Zweifel war ihm diese Art zu läuten bekannt. Muffat blickte ihn an, dann wandten beide die Augen weg. Sie waren in Verlegenheit und nahmen eine kühle Haltung an, der eine mit seiner gedrungenen, kräftigen Gestalt und dem starken Haarwuchs, der andere seine mageren Schultern aufrichtend, auf die seine dünnen weißen Haare herabfielen.
Meiner Treu, ich werde Ihnen eine Last aufbürden, meine Herren, sagte Nana lachend, indem sie mit den zehn großen Geldstücken
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