Nana
...
Ach, wenn Sie Sicherstellung brauchen ... erwiderte sie.
Ohne den Satz zu vollenden, wies sie mit einer Handbewegung auf die Einrichtung ihres Zimmers.
Francis lieh ihr die fünf Louisdor. Zoé kam in den Zwischenpausen, die das häufige Öffnen der Türe ihr ließ, um Madames Toilette vorzubereiten. Sie mußte ihre Herrin bald ankleiden, während der Friseur wartete, um noch die letzte Hand an die Frisur zu legen. Die Klingel störte die Kammerfrau, so daß sie ihre Herrin halb geschnürt oder mit einem Schuh warten lassen mußte. Zoé hatte trotz ihrer Erfahrung völlig den Kopf verloren. Nachdem sie die Männer schon in alle erdenklichen Winkel gesteckt hatte, mußte sie jetzt schon drei bis vier in einen Raum zusammenstecken, was gegen ihre Grundsätze war.
Nana machte sich hinter ihren Riegeln über die Besucher lustig und sagte, daß sie sie schnaufen höre. Sie müßten drollige Gesichter machen da draußen, die Zunge hängen lassen wie Hündchen, die auf ihrem Hintern im Kreise dasitzen. Ihr Erfolg von gestern abend dauerte fort. Die Männermeute war ihr auf der Spur.
Daß sie mir nur nichts zerbrechen, murmelte sie.
Die Lage wurde langsam unbehaglich, sie spürte den heißen Atem durch die Ritzen hereindringen. Sie stieß einen Ruf der freudigen Überraschung aus, als Zoé Labordette hereinführte. Der junge Mann wollte ihr von einer Rechnung erzählen, die er für sie bei dem Friedensrichter beglichen hatte; allein sie hörte ihn nicht an, sondern rief:
Ich entführe Sie; wir essen miteinander zu Mittag. Dann begleiten Sie mich ins Theater. Ich trete erst um halb zehn Uhr auf.
Der gute Labordette war zur rechten Zeit gekommen. Er verlangte nie etwas. Er war einfach der Freund der Frauen, der ihre kleinen Angelegenheiten in Ordnung brachte. So hatte er auch im Vorbeigehen die Gläubiger im Vorzimmer verabschiedet.
Die braven Leute verlangten übrigens gar nicht ihr Geld; im Gegenteil, sie waren gekommen, um Nana zu ihrem Erfolge zu gratulieren und ihr weiteren Kredit anzubieten.
Fliehen wir, sagte Nana, als sie angekleidet war.
Zoé trat ein und sagte:
Madame, ich wage es nicht zu öffnen, auf der Treppe steht eine Reihe von Menschen.
Eine Reihe von Menschen?
Selbst Francis, der seine Kämme ordnete, mußte lachen trotz der englischen Ruhe, die er zur Schau trug. Nana nahm den Arm Labordettes und schob ihn in die Küche. Dann flüchtete sie mit ihm über die Hintertreppe, glücklich, den Männern entronnen zu sein, weil sie wußte, daß man mit ihm allein sein konnte, ohne Dummheiten befürchten zu müssen.
Sie werden mich bis zu meiner Türe zurückbegleiten, sagte sie. So werde ich geborgen sein ... Denken Sie sich, ich will einmal eine ganze Nacht schlafen ... Das ist so eine Laune von mir.
Drittes Kapitel.
Die Gräfin Sabine, wie man die Gräfin Muffat de Beuville zum Unterschied von ihrer im vergangenen Jahre verstorbenen Schwiegermutter nannte, empfing jeden Dienstag in ihrem Hause, Miromesnil-Straße, Ecke Penthièvre-Straße. Es war ein viereckiger, weitläufiger Bau, den die Grafen Muffat seit einem Jahrhundert bewohnten. Die auf die Straße gehende Vorderseite war hoch und düster wie die eines Klosters; die riesigen Vorhänge waren stets geschlossen. Im Hinterhofe war ein Gärtchen angelegt, dem es an Sonne mangelte, so daß die Bäume verkümmerten und ihre laublosen Äste nackt in die Luft streckten.
Am folgenden Dienstag gegen zehn Uhr abends waren im Salon kaum ein Dutzend Personen versammelt. Wenn sie nur vertraute Freunde des Hauses erwartete, öffnete die Gräfin weder den kleinen Salon noch den Speisesaal. Man war so mehr unter sich und plauderte gemütlich am Kamin. Der Salon war übrigens sehr geräumig und hoch. Vier Fenster gingen nach dem Garten, von dem bei dem regnerischen Wetter, das jetzt Ende April herrschte, die Feuchtigkeit aufstieg, die selbst im Salon fühlbar war trotz der großen Holzscheite, die im Kamin brannten. Die Sonne drang nie hierher; der Tag, ein grünliches Licht, erhellte kaum diesen Raum. Am Abend aber, wenn die Lampen und der Kronleuchter angezündet wurden, hatte das Zimmer ein ernstes Aussehen mit seinen Möbeln von schwerem Mahagoniholz im Stile des Kaiserreichs, seinen Vorhängen und Sesseln von gelbem Samt mit breiten Stickereien. Man trat in einen Kreis voll kühler Würde und alter Sitten ein, Sitten einer entschwundenen Zeit, die einen Duft von Frömmigkeit ausströmten.
Gegenüber dem Sessel, in dem die Mutter des Grafen
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