Nana
griff jetzt Labordette über die Tafel hinweg an. Louise Violaine suchte ihn zum Schweigen zu bringen, denn schließlich hatte sie es auszukosten, wenn Foucarmont in zanksüchtiger Laune war. Er fand jetzt Vergnügen daran, Labordette »Madame« zu nennen. Die Geschichte schien ihm ungeheuren Spaß zu machen, denn er wiederholte das Wort unaufhörlich. Labordette ließ sich dies eine Weile gefallen und begnügte sich zu sagen:
Schweigen Sie, mein Lieber, das ist dumm.
Da Foucarmont aber nicht aufhörte, vielmehr zu Beleidigungen überging, ohne daß jemand wußte weshalb, gab er ihm keine Antwort mehr, sondern wandte sich mit den Worten an Vandeuvres:
Bitte, bringen Sie doch Ihren Freund zum Schweigen. Es ist besser, wenn er mich zufrieden läßt.
Labordette hatte schon zwei Duelle siegreich bestanden; man fürchtete ihn, er hatte überall Zutritt. Eine allgemeine Erregung brach gegen Foucarmont los. Man ist heiter, man findet ihn geistreich, aber das ist doch kein Grund, sich von ihm den Abend verderben zu lassen. Vandeuvres, dessen feines Antlitz eine Kupferröte annahm, verlangte von Foucarmont, daß er Labordette sein Geschlecht wiedergebe. Die andern Herren, Mignon, Steiner, Bordenave, legten sich gleichfalls ins Mittel, schrien und überbrüllten so Foucarmonts Stimme. Nur der alte Herr, der an der Seite Nanas fast vergessen war, behielt seine vornehme Miene, sein müdes, stilles Lächeln, indem er mit matten Blicken diesem Wirrwarr des Nachtisches folgte.
Wie wär's, mein Kätzchen, wenn wir hier den Kaffee nähmen? Es ist so behaglich ...
Nana antwortete nicht sogleich. Seit dem Beginn des Essens schien sie nicht mehr in ihrer eigenen Wohnung zu sein. Diese lärmende Gesellschaft benahm sich so ungebunden, als sitze sie im Restaurant. Nana selbst vergaß ihre Hausfrauenrolle und beschäftigte sich nur mit dem dicken Steiner, der an ihrer Seite fast vom Schlage gerührt wurde. Sie hörte ihm zu, schüttelte aber noch immer sich weigernd den Kopf und ließ dazu ihr Lachen hören, das bei ihr, der üppigen Blonden, so herausfordernd klang. Der Champagner, den sie getrunken, färbte sie rot, die Lippen wurden feucht, die Augen funkelten. Bei jeder Bewegung ihrer Schultern, ihres schönen Nackens bot der Bankier mehr. Er sah neben dem Ohr ein seidenweiches Fleckchen, das ihm den Verstand raubte. Von Zeit zu Zeit erinnerte sich Nana ihrer Gäste; sie suchte, liebenswürdig zu sein, um zu zeigen, daß sie Hausfrau zu sein verstehe. Gegen das Ende des Essens war sie tüchtig betrunken. Sie war wütend darüber, daß der Champagner sie gleich berauschte. Dann fuhr ihr ein Gedanke durch den Kopf, der sie höchlich verdroß. Diese Damen haben es darauf abgesehen, sich in ihrem Hause unanständig zu benehmen. Sie sah das klar. Lucy hatte Foucarmont durch Augenzwinkern aufgefordert, mit Labordette anzubinden, während Rosa, Karoline und die anderen Damen die Herren in Aufregung versetzten. Es war ein solcher Spektakel, daß man sich gegenseitig nicht verstand; diese Dämchen werden dann erzählen, man könne sich alles erlauben, wenn man bei Nana speist. Sie sollten sehen. Wenn sie auch betrunken ist, benimmt sie sich noch immer am vornehmsten.
Mein Kätzchen, wiederholte Bordenave, wollen wir nicht hier den Kaffee nehmen? Das wäre mir lieber, wegen meines Beines.
Nana hatte sich plötzlich erhoben und flüsterte Steiner und dem alten Herrn zu:
Es geschieht mir ganz recht; das wird mir eine Warnung sein, künftig ein so schmutziges Volk einzuladen.
Dann zeigte sie mit der Hand nach der Tür des Speisesaales und sagte laut:
Wer Kaffee trinken will, findet ihn dort.
Man verließ die Tafel und drängte dem Speisesaal zu, ohne Nanas Zorn zu merken. Bald war niemand mehr im Salon als Bordenave, der sich an den Wänden hielt und behutsam fortbewegte, wobei er auf diese verdammten Weiber wetterte, die jetzt, da sie voll waren, Papa ganz vergaßen. Hinter ihm räumten die Kellner bereits die Tafel ab, den lauten Weisungen des Tafeldeckers folgend. Sie beeilten sich mit der Arbeit, und bald war die Tafel verschwunden wie ein Dekorationsstück in einem Feenschauspiel auf den Pfiff des Maschinenmeisters. Die Herren und Damen wollten nach dem Kaffee wieder in den Salon zurück.
Hier ist es weniger heiß, sagte Gaga mit einem leichten Frösteln, als sie den Speisesaal betrat.
Das Fenster dieses Zimmers war offen geblieben. Zwei Lampen beleuchteten den Tisch, auf dem Kaffee und Likör gereicht wurde. Sessel waren nicht
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